#antikriegslyrik sammelt Poesie auf Instagram

22 Mär

Der Gedichtband #antikriegslyrik erscheint am 10. April

Verse von Not, Leid, Angst und Hoffnung: Gedichte über und gegen den Krieg sind keine literarische Neuerfindung. Bereits Homer beschrieb im siebten oder achten Jahrhundert die brutalen Szenen des Trojanischen Krieges im Epos "Die Ilias". Schriftsteller und Schriftstellerinnen wie Victor Hugo, Bertolt Brecht und Anna Achmatowa beklagten die blutige Kriegssituation des Deutsch-Französischen Krieges, des Ersten Weltkriegs oder des "Großen Terrors" der Sowjetunion. Ein Berliner Verlag hat mit dem Hashtag #antikriegslyrik nun zu einer besonderen Sammelaktion aufgerufen und setzt damit ein poetisches Zeichen für den Frieden, angesichts der Militäroperation Russlands in den Ukraine.

Bereits im März vergangenen Jahres brachte der Trabanten Verlag Berlin das #lockdownlyrik-Buch heraus: Eine Sammlung von 100 Gedichten von 100 Autorinnen und Autoren zwischen Jogginghose, Einsamkeit und dem Bedürfnis nach Freiheit. Zuvor hatte der Verlag auf der Plattform Instagram dazu aufgerufen, selbstgeschriebene Gedichte einzusenden, die auf dem Account @lockdownlyrik gepostet wurden. Ein Teil der Einsendungen schaffte es in den fertigen Gedichtband, der Erlös ging an die Berliner Obdachlosenhilfe.

Gedichte als Friedensboten

Das gleiche Sammelprinzip gilt für die diesjährige Aktion der #antikriegslyrik: Gedichte gegen den Krieg und für den Frieden. Seit Anfang März können Autorinnen und Autoren ihre Verse per Direktnachricht an den Account @antikriegslyrik schicken. Das Interesse ist groß: "Es ist wirklich viel, pro Tag kommen im Schnitt um die 100 Texte an", berichtet Fabian Leonhard, Initiator des Projektes und Inhaber des Trabanten Verlags Berlin: "Man merkt, dass die Leute ein großes Bedürfnis haben mitzumachen. Natürlich kann man mit den Gedichten nicht der Militäroperation in den Ukraine aufhalten, aber die Leute merken: 'Ich kann etwas machen.'"

Am Lockdown-Gedichtband beteiligten sich 2021 unter anderem Sibylle Berg, Thomas Gsella, Ulrike Almut Sandig und Hubertus Koch. Welche bekannten Namen sich hinter den Einsendungen in diesem Jahr verbergen, bleibt jedoch noch ein Geheimnis. Generell sei die Qualität der Gedichte allerdings sehr hoch, erklärt Initiator Fabian Leonhard: "Da sind Gedichte dabei, die haben eine ganz hohe Qualität und die kommen nicht von renommierten Schriftstellern. In jedem steckt ein Künstler." Das Schreiben der Gedichte ist ein Weg, mit den Nachrichten der letzten Wochen umzugehen und diese zu verarbeiten: "Es hilft den Leuten auch selber. Einmal ist es eine Auseinandersetzung mit der Situation, die passiert, wenn man selber ein Gedicht schreibt. Man spürt: Ich bin nicht alleine. Man hat diese Community und die ganzen vielen anderen Menschen, die Gedichte schreiben."  

Lyrik trifft auf Aktivismus  

Mit den ersten Einsendungen veranstaltete der Trabanten Verlag Live-Lesungen auf Instagram oder auf Demonstrationen. Nach der Veröffentlichung der #antikriegslyrik Mitte April sollen die Gedichte in Buchhandlungen und Literaturhäusern gelesen werden - auch, um dabei Spenden zu sammeln. Der Erlös vom Verkauf des Buches und die Spenden aus den Lesungen gehen an die Menschen in der Ukraine. "Wir wollen einen Rahmen schaffen, durch die Spenden und durch dieses Projekt, um Leute zum Handeln zu bringen. Das funktioniert wirklich gut", erklärt Leonhard:   "Es ist eine Mischung aus einem Literatur-Community-Projekt und auch ein bisschen Aktivismus. So sehe ich auch meine Auffassung von Verlagsarbeit: Nicht nur Bücher machen, sondern auch ein bisschen mehr. Das ist auch mein persönlicher Anspruch."

Gestern endete die Sammelphase der Gedichte: Über 1000 literarische Friedensbotschaften erreichten die Initiative. Auch nach der Erscheinung des Gedichtbandes soll die Aktion auf Instagram weitergehen: "Dieser Austausch, dass die Gedichte miteinander korrespondieren, das ist das, was ich wirklich schön finde", so Leonhard: "Solange sich die Situation nicht entspannt, werden wir auch weitermachen."

Warum ausgerechnet Gedichte?

Worte besitzen ihre eigene Macht und ihren eigenen Zauber, sie können nachdenklich machen, Trost spenden und eine Perspektive ermöglichen, einen Blickwinkel teilen. Gedichte entfalten dabei eine ganz eigene Kraft: "Ich habe gemerkt, dass die Gattung Lyrik die einzige literarische Gattung ist, die das kann - die ganz schnell auf solche aktuellen Krisen reagieren kann." Einen Roman zu schreiben dauere schlicht zu lange, so Leonhard: "Gedichte, diese kleinen Kraftpakete, die können das halt! Die können schnell geschrieben werden. Und man kann schnell auf solche Krisen reagieren."  

Wie bereits bei Homer drücken die Gedichte über der Militäroperation in der Ukraine das Unvorstellbare aus, Eindrücke und Emotionen, die einen eigentlich sprachlos machen. Umso wichtiger ist es, dem scheinbar Unaussprechlichen Ausdruck zu verleihen. Leonhard ermutigt: "In solchen Zeiten ist es extrem wichtig, Worte zu finden. Genau da darf Kunst nicht schweigen, genau da muss sie laut und aktiv sein. Man darf nicht den Kopf in den Sand stecken." So auch nicht an diesem Welttag der Poesie 2022.

Autorin Kim-Aileen Sterzel

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