Anfang der 2000er Jahre studierte Georg Matthes in London - und vermisste dort das deutsche Brot sehr. Matthes war mit der umfangreichen Kultur rund um das deutsche Brot aufgewachsen - einer Kultur, die seit 2015 zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO gehört. Die Brotsorten, die in London erhältlich waren, deprimierten ihn. Das gab den Ausschlag und er begann, "wirklich zu backen", erzählt er.
Darüber hinaus liegt Matthes das Brotbacken aber auch einfach in den Genen. In seiner Jugend half er seiner Großmutter immer wieder beim Backen und seine Vorfahren hatten sogar eine eigene Bäckerei. Jetzt ist er Politik-Korrespondent für die Deutsche Welle. Trotzdem genießt Matthes das Backen immer noch als eine "bodenständige Art, zu entspannen". Seine Kollegen in der DW-Redaktion in Brüssel profitieren regelmäßig von seinen hausgemachten Leckereien. Sie waren es auch, die ihn dazu ermutigten, eine TV-Serie zu entwickeln, die seine beiden Expertisen verbindet: Brot und Politik.
Die Macht eines Weizenkorns
Als eines der Hauptnahrungsmittel seit tausenden von Jahren, ist das Brot schon lange ein Zeichen für politische Stabilität, musste aber im Verlauf der Geschichte auch für viele Parolen in Revolutionen und sozialen Aufständen herhalten.
"Alle Politik geht von einem Weizenkorn aus", verkündete beispielsweise Mirabeau, einer der Anführer der frühen Phase der Französischen Revolution. Lenins Schlachtruf bei der Oktoberrevolution 1917 lautete: "Brot, Land und Frieden!". Und die Frauen-Bewegung im frühen 20. Jahrhundert forderte "Brot und Rosen".
Mit seinem Ausdruck "Brot und Spiele" hatte der römische Poet Juvenal schon im zweiten Jahrhundert nach Christus zynisch festgestellt, dass Nahrung und Unterhaltung häufig wichtiger sind, um die eigene Macht zu erhalten, als irgendein politisches Programm.
Die EU in 28 Brotrezepten
Bis heute gibt es viele Geschichten und politische Gleichnisse, die in den gebackenen Spezialitäten eines Landes entdeckt werden können. Und genau die präsentiert Georg Matthes in der neuen DW-Serie Baking Bread: In jeder Episode wird ein traditionelles Brotrezept aus einem der 28 EU-Staaten vorgestellt, verbunden mit "lustigen und harten Fakten" aus der politischen Kultur eines jeden Landes.
Matthes wiegt darin den Zustand der EU mit dem Brot ihrer Länder ab - mit einer alten Waage, die seine Oma ihm vererbt hat. Die kurzen Videos kombinieren Ideale aus der Slow-Food-Bewegung und satirische Seitenhiebe mit den Rock'n'Roll-Rhythmen einer bekannten amerikanischen TV-Serie über einen Chemie-Lehrer im Drogen-Labor.
Was uns Brot über ein Land verrät
"Brot steht für Europa. Es gibt so viel Vielfalt und es ist kulturell tief verwurzelt mit europäischen Ideen", sagt Matthes. Oft verrate eine regionale Spezialität mit ihren besonderen Zutaten viel über die internationale Geschichte eines Landes.
Als Beispiel nennt Matthes Natronpulver, das für den lockeren Teig im traditionellen irischen Soda-Brot sorgt. Ursprünglich kommt Natron aber aus den Vereinigten Staaten. Somit ist das Brot nicht nur Symbol für Irland, sondern zeugt von Migration und politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. So haben zum Beispiel 22 ehemalige US-Präsidenten irische Wurzeln, darunter Barack Obama.
Ähnlich ist es mit den Niederlanden: Im "Tigerbrot" wird Sesamöl und Reispaste verwendet. Der Ursprung der Zutaten kann nach Indonesien zurückverfolgt werden, das einmal eine niederländische Kolonie war. Wie das Brot hat auch der bekannteste niederländische rechtspopulistische Politiker Geert Wilders eine Verbindung zu Indonesien: Seine Mutter wurde dort geboren.
Der Brexit und das Sandwich
Georg Matthes hat alle Rezepte aus Baking Bread mehrmals selbst getestet. Das bedeutete oft nächtliches Kneten - nach vielen Stunden der Berichterstattung über die neuesten Brexit-Entwicklungen. Übrigens, so Matthes, sei das Vereinigte Königreich - noch offizieller Teil der EU - einer der besten Orte in der EU, um ein Sauerteig-Sandwich zu essen.
In der Großbritannien-Folge von Baking Bread untersucht er das Konzept des Sandwichs: die Erfindung, die dem Earl von Sandwich zugeschrieben wird und die vom Wall Street Journal einmal als Großbritanniens "größter Beitrag zur Gastronomie" bezeichnet wurde. Das Sandwich funktioniert nur dann, wenn man zwischen den beiden Scheiben etwas hinzufügt - und das könnte sehr gut die Rolle der EU sein, schlägt Matthes vor.
Ein Rezept mit bewährten Regeln
Die Leute, die das Projekt entwickelt haben, waren sich erst nicht sicher, ob sie es schaffen würden, alle 28 EU-Mitgliedsstaaten abzudecken - oder ob sie lieber nur wenige Episoden produzieren sollten. Ein deutsches Sprichwort überzeugte sie dann, sich an alle Länder heranzuwagen: Sie wollten nicht nur "kleine Brötchen backen".
Jedes Rezept mehrmals persönlich zu testen, war ambitioniert, gibt Matthes zu. Aber Backen erlaube nicht den gleichen Grad an Improvisation wie Kochen. "Du musst dich an die Regeln halten, wenn du Brot backst", betont der Journalist. Genau das ist auch einer der Ratschläge, die er EU-Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn gibt, die Gesetzesregelungen untergraben wollen. Sie sollten sich an das "Rezept" halten und die Regeln befolgen, die sie mit ihrem Beitritt zur EU unterschrieben haben.
Ab dem 30. Januar werden wöchentlich insgesamt 28 Episoden von Baking Bread in Deutsch und Englisch erscheinen. Zusammen mit den Videos, die humorvoll Rezepte mit Politik verbinden, wird es eine separate Serie von YouTube-Clips auf dem Euromaxx-Kanal der Deutschen Welle geben, die Details zu jedem Rezept liefern.
Autorin Elizabeth Grenier (rh)
Permalink - https://p.dw.com/p/3CNHf
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