Dammbruch in der Ukraine und die Folgen für die Umwelt

8 Jun

Einen Tag nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine kristallisiert sich das Ausmaß der Katastrophe langsam heraus. Tausende Menschen auf beiden Seiten der Front werden laut den Vereinten Nationen die schwerwiegenden Folgen der Überschwemmung zu spüren bekommen. Auch für die Umwelt und die Wasserversorgung vor Ort ist der Dammbruch eine Katastrophe.

 

 "Wir gehen davon aus, dass Teile wilder Natur für immer zerstört sein werden", so der Ukrainische Umweltminister Ruslan Strilets im Interview mit der DW. Er bezeichnete den Dammbruch als das "größte Umweltverbrechen, dass seit dem ersten Tag der umfassenden Invasion begangen wurde."

Große Gebiete eines Nationalparks seien zerstört, ebenso wie große Teile des Emerald-Networks, so Strilets. Das "Emerald-Network" ist ein europaweites Netz von Schutzgebieten, das zum Schutz von Arten und Lebensräumen eingerichtet wurde, die auf dem gesamten Kontinent vom Aussterben bedroht sind. 

Derzeit gehe seine Behörde davon aus, "dass vielleicht 600 bis 800 Tonnen Öl ins Wasser gelangt seien." Andere nicht überprüfbare Quellen der ukrainischen Führung sprechen von rund 150 Tonnen Maschinenöl, das bisher in den Fluss Dnipro geflossen ist, weitere 300 Tonnen drohen noch auszulaufen.


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Es ist davon auszugehen, dass Flora und Fauna davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Öl ist für sämtliches Leben in Gewässern und an Land hochgiftig. Schon kleine Mengen reichen aus, um Böden und Gewässer zu kontaminieren. Genaue Daten zu den Schäden gibt es bisher nicht. 

"Dies ist ein barbarischer Akt, ein realer Ökozid und eine humanitäre Katastrophe in der Zukunft. Wir haben diese Situation prognostiziert und leider ist unser ‘worst-case scenario' eingetreten." Strilets geht davon aus, dass rund eine Millionen Menschen vorläufig ohne frisches Wasser auskommen müssten. 

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach schon kurze Zeit nach der Explosion von einer Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Wissenschaftler der Hochschule Magdeburg-Stendal haben in einer frühen Modellierung errechnet, dass 60 000 Menschen betroffen sein könnten, etwa ein Drittel davon gefährdet. Dem Gouverneur des Verwaltungsgebiets Cherson, Olexander Prokudin, zufolge befinden sich 16 000 Menschen in der Gefahrenzone. Die EU sprach von Hunderttausenden Zivilisten, deren Leben gefährdet sei. Informationen zu möglichen Verletzten gibt es zunächst nicht.

"Die direkten Folgen sind ähnlich wie bei jeder Überflutung", so Nickolai Denisov vom Zoi Environmental Network, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Genf. Was hier allerdings anders ist, sei die Geschwindigkeit mit der das Wasser kommt. "Die Naturgebiete werden in der Regel nicht so hoch überflutet. Und auch nicht mit solcher Geschwindigkeit. Das wird also direkten Schaden verursachen."

Denisov weist darauf hin, dass besonders die Überschwemmung von Industriegebieten Probleme verursachen wird. "Wenn in diesem Fall das Wasser einfach in das Industriegebiet eindringt, ist man normalerweise nicht darauf vorbereitet. Die Verschmutzung wird also direkt aus dem Gebiet weggetragen. Das ist nicht die Art von Verschmutzung, die mit Industrieabwässern einhergeht. Es handelt sich also um eine zusätzliche Belastung, und das wird mit Sicherheit passieren." Vor allem Chemikalien aus Industrieanlagen könnten langfristig Böden und Wasser kontaminieren.

 

Olena Kravchenko, die Direktorin der ukrainischen Nichtregierungs-organisation Environment People Law, sagte gegenüber dem Guardian, dass der Dammbruch "beispiellose Folgen für die Umwelt" in den Gebieten flussabwärts des Dnipro, der Dnipro-Mündung und den Ökosystemen im Küstenbereich des Schwarzen Meeres haben könnte. Auch die Landwirtschaft könnte durch die Verschmutzung von Chemikalien und dem Mangel an fließendem Wasser beeinträchtig werden.

Der Internationale Tierschutzfond (IFAW) geht davon aus, dass lokale Wildtierpopulationen zwar zu Schaden kommen, viele Tiere aber nach der Katastrophe auch wieder zurückkommen werden. Schlechter sieht es für Haustiere aus, die oft nicht mit den Menschen evakuiert werden. "Wir haben bereits Informationen erhalten, dass die benachbarten Tierheime mit Rettungsanfragen überfordert sind. In Nova Kakhovka, im besetzten Gebiet, wurde ein kleiner Zoo völlig überflutet - alle Tiere außer den Schwänen sind heute gestorben", sagt Natalia Gozak, IFAW-Referentin für Wildtierrettung in der Ukraine in einer Pressemitteilung vom Dienstag.

Auch über den Dammbruch hinaus hat der Krieg bereits schwere Schäden an der Umwelt verursacht. Böden und Wasser sind über weite Teile des Landes durch Kriegsmunition und die Zerstörung von Industrieanlagen durch den Austritt von Chemikalien belastet. Auch das Erliegen der lokalen Abfallentsorgung stellt ein immer größeres Problem dar. Ebenso haben Feuer, Beschädigung durch Beschuss und illegaler Holzeinschlag im Konfliktgebiet erhebliche Teile des Waldes zerstört.

Die Ukraine und Russland beschuldigen sich gegenseitig den Damm gesprengt zu haben. Bei einer kurzfristig einberufenen Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats sprach der ukrainische UN-Botschafter von einem "Akt des ökologischen und technologischen Terrorismus."

 

Autor Tim Schauenberg

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