Das lange Warten auf ein deutsches Einheitsdenkmal

3 Okt

FОТО: PIXABAY.COM.


Am 3. Oktober begeht Deutschland einmal mehr den Tag der Deutschen Einheit. Doch die Fertigstellung des seit langem geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin droht zu scheitern.

 

Eine riesige begehbare Schale sollte es werden: Wenn Menschen sie betreten, wippt sie in eine Richtung - dahin, wo die Mehrheit geht. Das war die plakative Idee für das Einheitsdenkmal in Berlin. Der Deutsche Bundestag beschloss die Errichtung vor 17 Jahren - um an den friedlichen Protest der DDR-Bürger zu erinnern, der zum Mauerfall und später zur Deutschen Einheit führte. Doch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung ist das Denkmal immer noch nicht fertig. Hinter den Kulissen gefährdet ein Streit das Projekt.

Die Beteiligten, das sind zwei deutsche Bundesministerien, eine Stuttgarter Agentur und ein westfälisches Stahlbauunternehmen. Es geht um Geld, persönliche Befindlichkeiten und juristisches Tauziehen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth und ihr Haus arbeiteten "mit Hochdruck" daran, "die Beschlüsse des Bundestages zur Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals umzusetzen und dafür gangbare Lösungen zu finden", teilte eine Sprecherin der Grünen-Politikerin auf DW-Anfrage mit. Das Statement lässt ahnen, wie verfahren die Lage inzwischen ist.


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Viele Verzögerungen

Eigentlich sollte das Einheitsdenkmal bereits 2019 zum 30. Jubiläum der Deutschen Einheit feierlich eingeweiht werden. Dazu kam es nicht: Politische Debatten, bürokratische Hürden, Sicherheitsbedenken und fehlendes Geld  zögerten erst den Baubeginn hinaus, später auch die Fertigstellung. Inzwischen sind der historische Sockel, das Fundament mitsamt der erforderlichen Rampe, am Universalmuseum Humboldt Forum im Herzen der Stadt fertig. Eigentlich könnte jetzt die Stahlschale montiert werden. Doch die ist nicht da. Genau da liegt der Kern des Streits.

Das Metallbauunternehmen Rohlfing in Stemwede im Bundesland Nordrhein-Westfalen begann 2020 mit dem Bau der Schale. Doch drei Jahre später kam es zum Bruch zwischen Rohlfing und der Stuttgarter Agentur Milla & Partner, die das 18-Millionen-Euro-Projekt verantwortet. Im Dezember 2023 erhielt die Rohlfing GmbH die Kündigung. Das Denkmal war zu diesem Zeitpunkt zu 85 Prozent fertiggestellt; seither lagern die 32 Bauteile in der Produktionshalle in Stemwede.

 

Die Schale als "Geisel"

Die Agentur Milla & Partner will, dass Metallbauer Rohlfing die Schale herausgibt, damit eine andere Firma das Denkmal fertigbauen kann. Die Agentur zieht vor Gericht. "Er will sie nicht rausrücken, er behält sie als Geisel", so Agenturchef Johannes Milla im DW-Gespräch. "Wir haben vom Oberlandesgericht Hamm inzwischen Recht bekommen. Ja, die Schale ist herauszurücken."

Der Haken: Das Gericht knüpft seine einstweilige Verfügung an eine Bedingung - 100.000 Euro müssen als Sicherheit hinterlegt werden. Milla lässt offen, ob diese Sicherheit aufgebracht wurde. "Die Schale gehört längst dem Bund, denn wir haben im Namen des Bundes geklagt", sagt er. Aber das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) habe sich geweigert, "dieses Pfand zu zahlen" und sage, "das ist alles euer Problem".

Zwischen der Stuttgarter Agentur und ihrem Berliner Vertragspartner, dem BBR, sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Roth als der politisch Verantwortlichen knirscht es offenbar gewaltig. "Durch die Verzögerungen, Baukostensteigerungen und unsere Fixkosten wird das Denkmal immer teurer", sagt Unternehmer Milla. "Das Geld haben wir nicht. Also haben wir dem BBR mitgeteilt, dass wir drei bis vier Millionen Euro zusätzlich brauchen, um das Projekt fortzusetzen." Darüber sei ein halbes Jahr lang mit dem BBR und dem BKM verhandelt worden. "Zwischen BKM und BBR wird das Problem wie eine heiße Kartoffel hin und her geschoben", klagt Johannes Milla. 

 

Metallbauer insolvent

Eine Sprecherin von Kulturstaatsministerin Roth teilte auf DW-Anfrage mit, dass Milla & Partner trotz erneuter Zahlungen des BBR leider keine Lösung seines Konfliktes mit dem von ihm beauftragten Stahlbauer erreicht habe. Das habe letztendlich zur aktuellen Situation geführt. Die von Milla & Partner vorgelegten Zahlen und Konzepte hätten "keine hinreichende Auskunft über die Ursachen der Baukostensteigerungen und Zeitverzögerungen" erbracht. Um Klarheit über die bisherige Mittelverwendung und die noch zu erwartenden Kosten für eine Fertigstellung des Denkmals zu erlangen, habe der Bund eine externe Wirtschaftsprüfung beauftragt.

Mittlerweile ist das westfälische Metallbauunternehmen Rohlfing insolvent. Insolvenzverwalter Frank Schorisch führe Gespräche, sagt sein Sprecher, ob und gegebenenfalls zu welchen Konditionen das Denkmal durch das Unternehmen fertiggestellt werden soll. "Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen, und daher ist auch eine Herausgabe der bislang gefertigten Teile aktuell kein Thema." Insolvenz hat inzwischen auch die Agentur Milla & Partner angemeldet. Man arbeite normal weiter, auch stünden, so Johannes Milla, Investoren Schlange, die Agentur zu übernehmen. "Wir wollen das Denkmal weitermachen", versichert er, "der Ball liegt jetzt bei Claudia Roth".

Der Bund strebe eine Lösung an, heißt es dazu aus Berlin. Man hat offenbar zusätzliches Geld beim Bundestag beantragt. Mittlerweile rechnet man mit 17 Millionen Euro Kosten für die "Einheitswippe", wie sie im Volksmund heißt - viel mehr also als ursprünglich geplant. Denkbar wäre, so Milla, dass am Ende die fast fertige Schale verschrottet und die Fundamente wieder abgerissen werden müssen. "Diese Fernsehbilder gehen dann um die Welt", warnt der Agenturchef: "Sie zeigen, wie Deutschland 35 Jahre nach der Wende das Denkmal der Freiheit und Einheit abbricht."

 

Autor Stefan Dege

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