Die Ukraine gewinnt den ESC 2022

16 Mai

"Dieser Sieg ist für jeden Ukrainer!", rief Kalush-Sänger Oleh Psiuk in die Kameras, als die Gewinner die Trophäe überreicht bekamen. 

 

Die Stimmen der Jurys aus 40 Teilnehmerländern waren zwar bei dem Beitrag aus Großbritannien - doch das Fernsehpublikum schließlich setzte den Ukrainern die Krone auf. Aus fast jedem Land gingen vom Publikum 12 Punkte an das Kalush Orchestra.

Damit war der 66. Eurovision Song Contest im italienischen Turin entschieden: Die Trophäe geht in ein Land, das seit fast drei Monaten mit einem grausamen Krieg überzogen wird. Der ESC-Sieg wird an der Lage nichts verändern, aber die Mission der Musiker des Kalush Orchestra als Botschafter und Stimme ihres Landes ist erfüllt.

Nicht nur sie, auch andere Künstlerinnen und Künstler der 25 Länder, die an diesem Abend um den Sieg kämpften, forderten"Peace for Ukraine". Die Verantwortlichen der European Broadcasting Union EBU, die sonst sehr empfindlich auf politische Äußerungen reagieren, ließen es diesmal durchgehen. "Wir glauben, dass die Kommentare des Kalush Orchestra und anderer Künstler, die ihre Unterstützung für das ukrainische Volk zum Ausdruck bringen, eher humanitärer als politischer Natur sind", hieß es in einem Statement gegenüber der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Austragungsort des ESC 2023 steht noch nicht fest

Der Sieger-Song "Stefania" ist vor dem Krieg entstanden - Sänger Oleh Psiuk hatte ihn seiner Mutter gewidmet. Doch nun bekommen einige Zeilen aus dem Song eine ganz andere Bedeutung: "Ich werde immer den Weg nach Hause finden, auch wenn alle Straßen zerstört sind."

Nach dem Sieg von Ruslana 2004 und von Jamala 2016 gewinnt die Ukraine zum dritten Mal den ESC. Jetzt stellt sich die Frage, welches Land im kommenden Jahr den Eurovision Song Contest ausrichtet - in der Ukraine wird dies kaum möglich sein. Einige Länder haben sich bereits angeboten: wie etwa Spanien, das die Veranstaltung nach Barcelona holen möchte.

Ein Friedensgruß nach Moskau

Bevor es an diesem Samstagabend mit 7000 Zuschauern ins Stadio Olimpico ging, spielte Italiens Superband "Rocking 1000" John Lennons "Give Peace A Chance" auf einer Piazza im Zentrum Turins. Mit diesem Gruß an die Kriegstreiber dieser Welt begann das Finale des ESC, neben Italiens Superstar Laura Pausini führten durch den Abend Moderator Alessandro Cattelan und Popstar Mika.

Viele Balladen und Falsettgesang

Das diesjährige ESC-Finale war von vielen Balladen geprägt. Die ESC-Gemeinde liebt Glitzer, Pomp, Erotik und Party - doch offenbar war es in diesem Jahr vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs Konsens, dass dies nicht die richtige Zeit für ausgelassene Partystimmung ist. Die Männer setzten in ihren zahlreichen dramatischen Balladen hohen Falsett-Gesang ein; ein Trend, der in den letzten Jahren zugenommen hat. Auch das Singen in der Landessprache wird immer beliebter.

Windmaschinen kamen nicht zum Einsatz, dafür hatte die eindrucksvolle Bühne in der Mitte eine Sonne und war von Wasserfällen eingerahmt. Was den ESC sonst ebenfalls ausmacht, ist der Einsatz von Trickkleidern. Die suchte man in diesem Jahr vergeblich - zumindest aber gab es ein Trick-Hemd beim rumänischen Künstler WRS, dessen Sommerhit-verdächtige Nummer "Llámame" auf den hinteren Rängen landete. Dafür waren bei Frauen wie bei Männern in diesem Jahr Glitzer-Outfits angesagt.

Die einzige Nummer mit einer großen Portion Erotik lieferte Spanien mit Chanel: Sie wurde für ihre explosive Tanznummer "SloMo" mit dem dritten Platz belohnt. Der britische TikTok-Star Sam Ryder landete mit "Space Man" auf Platz zwei.

Deutschland hat die Zero Points gebucht

Der deutsche Teilnehmer Malik Harris lieferte einen sympathischen und soliden Auftritt ab und bekam für seinen intensiven Rap-Teil in der Mitte seines Songs "Rockstars" Szenenapplaus in der Halle. Doch auch an diesem Abend lag der Fluch der Zero Points über dem deutschen Beitrag: Kein Punkt von den Jurys, sechs Punkte vom Publikum - das ist, wie so oft in den vergangenen Jahren, der letzte Platz.

Der Song ist in den deutschen Top Ten; beim Eurovision Song Contest konnte er im starken Teilnehmerfeld nicht mithalten. In Deutschland heißt es also mal wieder: Wunden lecken und darüber nachdenken, wie man es im kommenden Jahr besser machen kann.

 

Autorin Silke Wünsch

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