Bruchstellen, Kratzer, Rost und fehlende Diamanten: Die im November 2019 aus dem historischen Grünen Gewölbe in Dresden gestohlenen Schmuckstücke sind ordentlich lädiert.
Das berichteten Zeugen an diesem Dienstag im Gerichtsprozess gegen die sechs mutmaßlichen Täter. Die Angeklagten sind Deutsche und stammen aus einer bekannten arabischstämmigen Berliner Großfamilie.Sie müssen sich vor dem Landgericht Dresden wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Allerdings können sie wegen eines Deals mit dem Gericht wohl auf mildere Strafen hoffen.
Die Rückgabe des Schmucks, Geständnisse und Antworten auf Fragen der Richter waren die Bedingungen. Die Kammer geht indes "nach vorläufiger Würdigung" der Ergebnisse der Beweisaufnahme "abweichend von der Anklageschrift" davon aus, dass die Angeklagten nicht als Mitglieder einer Bande handelten, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel.
Im Bundesland Sachsen ist die Erleichterung über die Rückkehr eines Großteils des Diebesguts groß. "Es war schon aufregend", beschrieb Restauratorin Eve Begov von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ihre erste Reaktion, als sie die wieder aufgetauchten, in Tüten verpackten Schmuckstücke bei der Polizei erstmals sah.
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Anhand von Fotos schilderte sie vor Gericht ausführlich die Schäden. An einem historischen Degen etwa fehlen zahlreiche Diamanten und die komplette Klinge, es gibt Bruchstellen und Deformationen.
Die Rückgabe war ein Coup
Andere Stücke wurden durch Feuchtigkeit beschädigt, entweder bei der Lagerung oder durch Reinigungsversuche - um Spuren zu verwischen. Das wiederum habe Roststellen verursacht. "Wie sich das langfristig auswirken könnte, da können wir keine Prognose geben", fügte Begov hinzu. Allein den Arbeitsaufwand für die Restaurierung beziffert sie auf rund 126.000 Euro, den Ersatz der fehlenden Steine nicht eingerechnet.
Es war ein Coup, den die sächsischen Ermittler Mitte Dezember verkündeten: Ein Großteil der im November 2019 aus Vitrinen im Grünen Gewölbe gerissenen historischen Schmuckstücke ist nun wieder in Sachsen. Drei Jahre lang schien das undenkbar.
Unvollständig und beschädigt
Doch ein Deal machte es möglich. Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel schilderte am Dienstag Einzelheiten der Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Sie begannen im vergangenen August und führten am 16. Dezember kurz vor Mitternacht zur Übergabe des Schmucks in einer Berliner Anwaltskanzlei.
Dass drei Schmuckstücke weniger zurückkehrten als angekündigt, mehrere Teile unvollständig und andere beschädigt sind, dürfte sich auf das Urteil der Richter auswirken. Die bei dem Raub beschädigte Brillanten-Epaulette etwa mit dem "Sächsischen Weißen" - laut Restauratorin Begov einer der wichtigsten Diamanten weltweit - und die Große Brustschleife der Königin Amalie Auguste bleiben weiter verschwunden.
Am 25. November 2019 waren aus dem Grünen Gewölbe Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten gestohlen worden. Der Versicherungswert der Beute betrug mehr als 113 Millionen Euro. Der Einbruch sorgte international für Schlagzeilen.
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Barockes "Weihnachtswunder" im Grünen Gewölbe
Angriff auf einen "Staatsschatz"
Die gestohlene Juwelengarnitur gehörte zu den Sehenswürdigkeiten des Grünen Gewölbes, darunter der Brillantschmuck der Königinnen, ein Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens oder auch ein diamantenbesetzter Degen. Den Versicherungswert des Diebesgutes schätzten die Ermittler auf rund 114 Millionen Euro, der kunsthistorische Wert dürfte um ein Vielfaches höher sein.
Bruststern des Weißadlerordens
Zu den 31 Stücken, die von der Polizei sichergestellt wurden, gehört auch dieser Bruststern. Er wurde zwischen 1746 und 1749 von dem Schweizer Juwelenkünstler Jean Jacques Pallard aus Brillanten, Rubinen, Gold und Silber gefertigt. August der Starke, sächsischer Kurfürst und Herzog, später auch polnischer König, verlieh ihn an etwa 40 Ritter des Weißen Adlers-Ordens.
Kostbarer Haarschmuck
Noch prüft ein Team um Restauratorin Eve Bergov von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wie weit man eine Restaurierung treiben werde. Zum Diebesgut gehörte auch diese Aigrette, ein Haarschmuck in der Form einer Sonne. Sie wurde von 1782 bis 1807 gefertigt und gehört in das Ensemble mit Brillantschmuck der Königinnen. Die Aigrette besteht aus 127 Brillanten und aus Silber.
Degen des Diamantrosen-Sets
Seit Monaten läuft in Dresden ein Prozess gegen sechs mutmaßliche Diebe. Der Rückkehr der Juwelen ging offenbar ein Deal zwischen einem Verteidiger und der Justiz voraus. Vermisst bleibt jedoch die Klinge dieses diamantbesetzten Degens aus dem 18. Jahrhundert. Er besteht aus Silber, Gold und Stahl. Die Diebe hatten den Degen ohne die Scheide mitgenommen.
August der Starke: Kunstmäzen und Prunkliebhaber
August der Starke lässt seine Residenz Dresden nach französischem Vorbild ausbauen. Er hält Hof im Stile Ludwigs XIV. und ruiniert damit die sächsischen Finanzen. In einem Kuppelsaal des Grünen Gewölbes ist das Wappen des Kurfürsten und Herzogs von Sachsen zu sehen.
Autorin Sabine Oelze
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