Französische Komödie über russische Homophobie in der Ukraine gedreht

21 Mai

Es ist eine Welt, von der Viele nicht wissen, dass es sie gibt. Ein Dutzend Männer und eine Frau tummeln sich an einem Mittwochabend auf einer Seite eines Schwimmbeckens in einem Hallenbad im Süden von Paris. 

 

Sie sind Teil der "Glitzernden Garnelen", einer LGBTQ-Wasserpolo-Mannschaft (LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, queer). Alle tragen eine Badekappe mit Ohrenschützern aus Plastik. "Ihr müsst Euren Gegenspieler decken, und zwar mit Körperkontakt", ruft ihnen der Trainer Sébastien Beysson zu. "Körperkontakt ist kein Problem", entgegnet einer der Spieler, und seine Kollegen kichern.

Die echten Glitzernden Garnelen bei einem Match in Paris

Kurze Zeit später ertönt der Anpfiff. Während eine Hälfte des Teams versucht, den Ball so oft wie möglich ins Tor der gegnerischen Mannschaft zu befördern, sitzt die andere Hälfte auf der Auswechselbank am Rand. Das echte Team der Glitzernden Garnelen diente schon 2019 als Inspiration für einen französischen Kinofilm. Nun ist ein zweiter Teil in die Kinos gekommen - bisher nur in Frankreich, bald soll er auf internationalen Festivals laufen. Er lässt den Zuschauer nicht nur die Welt des LGBTQ-Wasserpolos entdecken, sondern illustriert auch, wie weit der russische Alltag von der Kultur Europas und der Ukraine entfernt ist.

Moskauer Polizei verhaftet Wasserpolospieler

"Im ersten Film wurde ein homophober Coach Trainer einer schwulen Wasserpolo-Mannschaft", sagt Regisseur Cédric Le Gallo, der an diesem Mittwoch als Verteidiger in dem Wasserpolo-Team mitspielt, im Interview mit der DW. "In "La Revanche des Crevettes Pailletées" (Die Rache der glitzernden Garnelen) reist die Wasserpolo-Mannschaft nach Russland und kommt in Kontakt mit der Homophobie dieses Landes." Auf dem Weg zu den Gay Games in Tokyo müssen die Spieler nämlich wegen eines Buchungsfehlers eine Nacht in Moskau verbringen. Die Polizei verhaftet Einige von ihnen und bringt sie in ein Umerziehungslager, wo man ihnen das Schwulsein austreiben will. "Es ist wichtig zu zeigen, dass es in manchen Ländern der Welt nicht einfach ist, schwul zu sein. Dazu gehören natürlich nicht Deutschland oder Frankreich, aber Russland. Dort ist es illegal, als Mann seinen Freund auf der Straße zu küssen - denn das gilt als LGBTQ-Propaganda", erklärt Le Gallo.

Filmdreh in der Ukraine

Wegen dieser Gesetzgebung konnte die Crew nicht in Russland filmen. Anstatt dessen drehte sie von Januar bis April 2021in der Ukraine - auch, weil die Menschen dort russisch sprechen und die Architektur teilweise an Russland erinnert. Dass in den Straßen, die man im Film sieht, nun Panzer rollen und in dem Krieg Menschen sterben, erscheint Le Gallo immer noch unvorstellbar. "Die ganze Situation zeigt nur noch deutlicher, wie unterschiedlich die Ukraine und Russland sind", findet er. "Die Ukrainer wollen Teil von Europa sein - sie sind uns sehr ähnlich und ganz anders als die Russen."

Das sieht auch Trainer Beysson so. Er war Statist im Film und teilweise beim Dreh in der Ukraine dabei. "Man konnte fühlen, dass die Ukraine sich in einer positiven Dynamik befand in Richtung mehr persönliche Freiheiten, nicht nur was LGBTQ-Rechte angeht", sagt er im DW-Interview. "Aber das ist jetzt alles nebensächlich und in gewisser Weise zum Stillstand gekommen. Es ist schrecklich, dass in der Ukraine Krieg herrscht. Die Schauspieler, mit denen wir eben noch gedreht haben, sind jetzt damit beschäftigt, ihr Land zu verteidigen, zu fliehen, oder ihre Familie in Sicherheit zu bringen."

Freunde wurden in der Ukraine zu Feinden

Einer von ihnen ist Dmitriy Soloviov. Im Film spielt er den Anführer einer Bande, die es sich zum Hobby gemacht hat, Schwule zu verprügeln. Im echten Leben ist der 33-jährige Ukrainer inzwischen Mitglied einer Miliz in der zentralen Provinz Tscherkassy. "Bis zum Beginn der russischen Invasion am 24. Februar hatten wir Ukrainer viele russischen Freunde und Kollegen, mit denen wir hervorragend klarkamen. Aber das ist nun nicht mehr möglich. Russland ist für uns nur noch Angreifer und Feind", antwortet er auf DW-Anfrage über die Nachrichten-App Telegramm.

Für seinen Landsmann Sasha Ivanov ist der Film wie eine Metapher des russischen Staates. Ivanov spielt darin einen Russen, der sich selbst in das Umerziehungslager eingewiesen hat, weil er nicht mehr schwul sein will. "Das Lager versinnbildlicht Russland als Sinnbild des Bösen", sagt der 20-Jährige, der wenige Tage vor dem Beginn des russischen Einmarsches nach Frankreich geflohen ist. "Der russische Staat hat seit langer Zeit Menschen ins Gefängnis geworfen, nur weil sie sie selbst sein wollten. Dem setzt "Die Rache der Glitzernden Garnelen" eine geradezu therapeutische Nachricht entgegen - und zwar die, dass man sich selbst lieben und so akzeptieren soll, wie man ist."

Ein Lichtstreifen am Horizont des Krieges?

Und obwohl der Krieg in seinem Land Ivanov tief erschüttert, sieht er doch einen Lichtstreifen am Horizont - zumindest in einer Hinsicht. "Russland wird die Ukraine niemals unterwerfen können", glaubt er. "Und nach jedem Krieg, jeder Krise kommt eine Renaissance, ein goldenes Kulturzeitalter. Nach der Maidan-Revolution 2014 gab es auf einmal eine Unmenge an kulturellen Events, Filmen und Konzerten. Nach diesem Krieg wird es genauso sein." Auch sein Kollege Soloviov will die Hoffnung bewahren. "Dies ist ein so wundervoller Film über das Leben und die freie Liebe - ich hoffe, dass wir alle bald zusammen am dritten Teil arbeiten werden", schreibt er.

 

Autorin Lisa Louis

Permalink - https://p.dw.com/p/4BTG1


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