Die Reiselust der Deutschen ist nach zwei Jahren Pandemie größer als je zuvor. Die Osterreisewelle rollt, Hoteliers und Gastronomen frohlocken. Aber es fehlen die Fachkräfte, um den Ansturm zu bändigen.
Das hat vermutlich noch mehr Menschen dazu ermuntert, wieder Urlaub machen zu wollen, endlich wieder ohne Mund-Nase-Schutz ins Restaurant oder ins Hotel zu gehen. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie ein nur zu verständlicher Wunsch.
Und auch für das Deutsche Hotel- und Gaststättengewerbe ist es ein Silberstreif am lange verdunkelten Horizont, bestätigt die Hauptgeschäftsführerin des Dachverbandes DEHOGA, Ingrid Hartges, der DW: "Fast zwei Drittel der von uns befragten Betriebe beurteilen die Buchungs- und Reservierungslage über die anstehenden Feiertage als befriedigend oder besser." Die Menschen hätten nach der langen Zeit des Verzichts ein besonders großes Bedürfnis nach Erholung und Genuss.
Zuversicht - und ein altes Problem
Und deshalb stellen nun überall im Land wieder Wirte ihre Stühle und Tische nach draußen, in den Hotels werden die Zimmer behaglich hergerichtet. Doch der erwartete Ansturm von Gästen bringt ein Problem zum Vorschein, das schon seit langem in der Branche Sorgenfalten auslöst, sagt Ingrid Hartges: "Durch die fehlende Nachfrage während der Corona-Pandemie verzeichnete die Branche Beschäftigungsrückgänge - trotz aller Bemühungen, die Mitarbeiter auch weiterhin zu halten. Ohne die coronabedingten Kurzarbeitergeldregelungen wäre der Verlust an Mitarbeitern noch deutlich höher ausgefallen."
Die konkreten Zahlen zeigen das Ausmaß des Mitarbeitermangels: Bundesweit sind in den vergangenen zwei Jahren mehr als 130.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weggefallen, hinzu kommen mehr als 217.000 Minijobs.
Und viele der Minijobber aus Hotels und Gastronomie haben sich andere Beschäftigungen im Einzelhandel gesucht, der auch während des Lockdowns öffnen durfte. Und die sind nur schwer oder gar nicht zurückzugewinnen, weil sie sich an geregelte Arbeitszeiten und freie Wochenenden gewöhnt haben.
"Es ist einfach keiner da"
Allein in der Region Berlin-Brandenburg sind nach Angaben des Tourismusverbandes "Seenland Oder-Spree" 20 Prozent der Mitarbeiter aus der Branche abgewandert. Und der Markt sei leergefegt, sagte Geschäftsführerin Ellen Rußig im rbb, "weil jede Tourismus-Einrichtung Köche und Kellner sucht".
Und Hotel-Chef Jörn Peters aus Bad Saarow ergänzt: "Es ist gar nicht möglich zu erklären, was das für ein toller Beruf ist. Die Chance hat man gar nicht, weil keiner da ist, dem man das sagen kann und sich keiner mehr bewirbt."
Kleinere Unternehmen versuchen, die Engpässe durch provisorische Lösungen zu überbrücken: In inhabergeführten Häusern packen die Chefs einfach noch mehr mit an als sonst schon, viele verkleinern das Angebot an Menüs in ihren Restaurants oder kürzen Öffnungszeiten, zum Beispiel dadurch, dass sie nur noch in den Abendstunden öffnen.
Für einige Gastro-Betriebe könnten digitale Lösungen helfen, den Personalmangel zu überbrücken. Mehrere Firmen bieten Bestell- und Kassensysteme an, mit denen die Kundinnen und Kunden direkt am Tisch ihre Order an die Küche oder die Bar übermitteln können.
Zahlreiche Unternehmen nutzen schon solche oder ähnliche Systeme und reduzieren damit ihren Personalbedarf. Aber zum einen benötigen diese digitalen Helfer eine gewisse Einarbeitungs- und Einführungszeit und sie sind mit Investitionen verbunden, die am Tresen oder in der Küche erstmal wieder erwirtschaftet werden müssen.
Hilfe aus dem Ausland
Die Gastronomie und Hotelbranche setzt ihre Hoffnungen jetzt auf ausländische Arbeitskräfte. DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Hartges formuliert es so: "Das Gastgewerbe ist eine attraktive, sehr internationale Branche, in die man recht unkompliziert einsteigen kann. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit hatten rund 35 Prozent unserer Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit - in keiner anderen Branche ist der Anteil höher."
Man freue sich, so Hartges, dass auch Geflüchtete aus der Ukraine in der Branche Arbeit gefunden hätten. Darüber hinaus bemühe sich der DEHOGA, durch eine Ausweitung seiner Nachwuchs- und Förderprogramme mehr Arbeitskräfte für den hiesigen Markt zu gewinnen und auszubilden.
Gute Aussichten, aber...
Allerdings ziehen auch schon wieder dunkle Wolken am Prognosenhimmel auf: Durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges haben sich die Energiekosten rasant erhöht. Dadurch wird nicht nur das Reisen teurer, was viele Urlauber letztlich doch wieder zuhause halten könnte. Auch die Betriebskosten von Hotels und Gaststätten steigen wegen der hohen Energie- und Lebensmittelkosten, sodass die erwarteten und lange erhofften Mehreinnahmen durch mehr Gäste nach der Corona-Flaute gleich wieder im wahrsten Sinne des Wortes verheizt werden könnten.
Laut einer DEHOGA-Umfrage werden von den Unternehmern als aktuell größte Herausforderungen die explodierenden Energiekosten genannt (85,5%), gefolgt von steigenden Lebensmittelpreisen (84,9%), den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise (67,6%) sowie steigende Personalkosten (65,8%).
Inwieweit diese gestiegenen Kosten für die Verbraucher zu höheren Preisen führen werden, liege ganz im Ermessen der jeweiligen Betriebe, sagt DEHOGA-Chefin Ingrid Hartges. Aber: "Ein guter Unternehmer wird einerseits mit Blick auf seine Gäste, andererseits mit Blick auf seine betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten das Angebot und die Preise verantwortlich gestalten und gegebenenfalls anpassen."
Und sie empfiehlt, dass es auch weiterhin attraktive Angebote für Gäste mit schmalerem Budget geben müsse. Solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme und Preiserhöhungen für den Gast nachvollziehbar seien, würden die Gäste dies auch grundsätzlich akzeptieren.
Autor Martin Koch
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