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Wegen des Ukraine-Kriegs verlegte die UNESCO ihre diesjährige Tagung vom russischen Kasan nach Riad. Ein Gespräch mit dem Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission über den richtigen Umgang mit Russland.
Noch bis zum 25. September tagt die UNESCO im saudi-arabischen Riad und berät unter anderem über die Aufnahme neuer Stätten in die Welterbeliste sowie den Schutz des Menschheitserbes.
Am Samstag setzte sie zwei Orte in der Ukraine auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten: die Sophienkathedrale und zugehörige Klosterbauten in Kiew sowie das historische Zentrum in Lwiw. Venedig und seine Lagune schaffte es nicht auf die Liste. Die Deutsche Welle hat mit Roman Luckscheiter, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission, über den richtigen Umgang mit Russland in Zeiten des Krieges gesprochen.
Deutsche Welle: - Herr Luckscheiter, die UNESCO-Sitzung sollte ursprünglich im Juni 2022 im russischen Kasan stattfinden, wurde dann aber nach Riad verlegt. Wenn man an den Bürgerkrieg im Jemen denkt, der häufig als Stellvertreterkrieg zwischen Riad und Teheran gesehen wird, fragt man sich, ob die Entscheidung ein richtiges Zeichen setzt.
Roman Luckscheiter: - Die Tatsache, dass die Komitee-Sitzung nicht in Russland stattfinden konnte, hat eine lange Vorgeschichte. Da sind angesichts des brutalen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine sehr viele Gespräche geführt worden, sehr viele Zweifel entstanden. Am Ende hat Russland den Vorsitz zurückgezogen, sodass dann nach den Statuten dieses Komitees das nächste Land im nächsten Jahr automatisch dran war und das war Saudi-Arabien.
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- Warum ist Russland bei der aktuellen Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees noch dabei? Wie ist es möglich, dass zwei Sehenswürdigkeiten und zweifelsohne bedeutende Denkmäler Russlands auf der Liste der Nominierten sind?
- Solche Bewerbungen haben eine lange Vorgeschichte, die haben ihre eigene Dynamik. Wenn man beispielsweise an die Bewerbung von Erfurt aus Deutschland denkt, dann hat das eine Vorgeschichte von 15 Jahren. Da muss man, glaube ich, unterscheiden: Dieses Komitee entscheidet über die Kulturgüter, die in den Rang des Welterbes aufgenommen werden sollen. Und das ist es zunächst einmal. Welterbe ist jenseits von politischen und nationalen Grenzen etwas ganz Besonderes. Dafür ist die Konvention geschaffen. Dafür sind diese Komitee-Sitzungen. Wenn ein Mitgliedstaat jetzt die Konvention mit Füßen tritt, wie Russland das gerade tut, dadurch, dass es ist im Angriffskrieg auf die Ukraine auch Welterbe ganz konkret gefährdet, dann ist das die eine Sache. Die andere ist, dass die Weltorganisation dann gut beraten ist, dass dann die Mechanismen des Programmes selbst, die für die Kultur vorgesehen sind, weiterhin funktionieren.
- Nach den Angriffen auf Odessa und Lemberg hatte die Ukraine verlangt, dass man Russland aus allen UNESCO-Programmen rausnimmt. Wie realistisch sind diese Forderungen?
- Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die UNESCO eine Weltorganisation ist, in der sich alle Mitgliedstaaten über die dringlichen Fragen der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft verständigen und austauschen und an Standards arbeiten, zu denen sie sich dann selbst verpflichten. Insofern ist die Frage des Ausschlusses eine Frage, die vielleicht anders gestellt werden kann. Wie kann man als eine solche Weltorganisation reagieren, wenn die Mitgliedstaaten die selbstratifizierten Konventionen verletzten, während man trotzdem davon ausgeht, dass wir eine Weltgemeinschaft brauchen, in der das thematisiert werden kann. Wir brauchen solche Foren, um darauf aufmerksam machen zu können. Da könnte eine andere Lösung sein, dass man denen, die dem Geist der UNESCO zuwiderhandeln, das Stimmrecht entzieht in solchen Gremien und damit ein Signal setzt.
- Aber das ist nicht passiert?
- Nein, die russischen Kollegen sitzen in Riad. Das ist nur eine Option, über die man diskutieren sollte.
- Wie wahrscheinlich ist es, dass Russland auf eigene Initiative austritt?
- Wie realistisch das ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Es wäre sicherlich nicht die Lösung der aktuellen Spannungen, denn ist es ja gerade der Zwang zusammenzuarbeiten, der die Weltgemeinschaft auch immer wieder neu herausfordert.
- Woran würden Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen, Politikerinnen und Politiker und die russische Gesellschaft heute erinnern?
- Ich glaube, was ganz wichtig ist, ist, dass man unterscheidet zwischen der politischen Ebene, die in der UNESCO präsent ist, und der Ebene der Zivilgesellschaft, die von der UNESCO gleichermaßen angesprochen wird. Es gibt eine ganze Reihe an Programmen, mit denen die Werte der UNESCO, der Friedensgedanke über Bildung, Kultur und Wissenschaft, in die Gesellschaft getragen werden. Einzelne Mitglieder der Zivilgesellschaft haben die Chance, über die UNESCO das Gefühl zu haben, sie sind Teil einer Weltgemeinschaft. Und das ist ein ganz wichtiger Effekt, gerade in Zeiten des Krieges, wo Länder, die in Bedrängnis kommen, Solidarität einfordern. Insofern ist es wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten der UNESCO verpflichten dies zu erfüllen und für die Wahrnehmung der UNESCO ist es wichtig zu wissen, es gibt die politische Ebene, aber der Geist der UNESCO ist viel weiter.
Das Gespräch führte Marina Jung
Permalink - https://p.dw.com/p/4WRLZ
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