Der Internationale Literaturpreis würdigt außergewöhnliche Gegenwartsliteratur aus der ganzen Welt - und ihre kunstvolle Übersetzung in die deutsche Sprache.
Das Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin und die Stiftung Elementarteilchen verleihen die Preise dieses Jahr zum 14. Mal an die beste Autorin oder den besten Autoren (20.000 Euro) - und für die gelungenste Übersetzungsleistung (15.000 Euro). Die Shortlist-Kandidatinnen und -Kandidaten erhalten je 1000 Euro.
Im Unterschied etwa zum Deutschen Buchpreis gibt es keine Longlist. Die sechs Romane, die im Rennen sind, wurden direkt von Verlagen vorgeschlagen und von einer Jury ausgewählt. Erstübersetzungen aus insgesamt 31 Sprachen und über 60 Ländern wurden eingereicht. Dies sind die sechs Anwärterromane:
"Liebe im neuen Jahrtausend" von Can Xue, übersetzt aus dem Chinesischen von Karin Betz
Die 1953 im chinesischen Changsha geborene Schriftstellerin und Literaturkritikerin Can Xue ist nicht in Kategorien zu pressen. Auch ihr neuer Roman ist ist schwer zu greifen: Die Erfahrung des Lesens von "Liebe im neuen Jahrtausend" mit seinen verspielten, springenden, assoziativen, losen Erzählsträngen lässt Lesende das Loslassen üben: von Erwartungen und Erzählnormen, klassischen Plots oder Figurengestaltungen - auch die Zeit verliert ihre taktgebende Kraft und wird gedehnt, verkürzt oder umsprungen. Kurzum: Die Reise führt in eine mystisch anmutende Welt, die weit über China hinausweist. Nicht umsonst wird Can Xue immer wieder als Kandidatin auf den Literaturnobelpreis gehandelt.
"Meine Eltern / Alles nicht dein Eigen" von Aleksandar Hemon, aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens
Zwei Bücher in einem umfasst das Wendebuch des aus Bosnien stammenden Schriftstellers Aleksandar Hemon. Eine literarische Verarbeitung der Migrationsgeschichte seiner Eltern - von Bosnien nach Kanada. Einmal umgedreht bekommt man es mit der Geschichte eines wilden, wütenden Jungen aus Sarajevo zu tun, beziehungsweise mit den Erinnerungen des Autoren an ebendiesen. Der Autor war 1992 als Stipendiat in den USA - und blieb, als in Bosnien der Krieg losbrach.
"Der Fluch des Hechts" von Juhani Karila, aus dem Finnischen von Maximilian Murmann
Wem nicht klar war, dass Ostlappland neben Mückenschwärmen mit allerlei mythischen Gestalten und Naturgeistern aufwarten kann, dem sei "Der Fluch des Hechts" wärmstens empfohlen. Das Romandebüt des 1985 geborenen finnischen Journalisten ist ein irres Abenteuer und eine tragische Liebesgeschichte, voller Komik und seltsamer Gestalten. Dafür wurde er in seinem Heimatland bereits mit dem Kalevi-Jäntti-Preis für junge Literatur, dem Tähtifantasia-Preis für fantastische Literatur und dem Jarkko-Laine-Preis ausgezeichnet.
"Leichte Sprache von Cristina Morales, aus dem Spanischen von Friederike von Criegern
Gleicher Jahrgang, doch im andalusischen Granada geboren hat Cristina Morales bereits mehrere preisgekrönte Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht. Die studierte Rechts- und Politikwissenschaftlerin überzeugt als Dramatikerin und Autorin gleichermaßen. "Leichte Sprache" verfolgt das Leben vierer Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in Barcelona leben. Die Autorin montiert kunstvoll verschiedene Textformen - von Gerichtsakten bis zum Whatsapp-Gesprächsverlauf - und schärft die Wahrnehmung für den Eigensinn der Frauen - und der Beschränkungen, ja Behinderungen, denen sie ausgesetzt sind - auch und nicht zuletzt durch die Sprache.
"Eine Nebensache" von Adania Shibli, aus dem Arabischen von Günther Orth
Das Leben der Autorin ist wahrscheinlich bezeichnend für ihre Herkunft: Die palästinensische Schriftstellerin spricht sechs Sprachen, lebt in drei Ländern, ihre Familengeschichte(n) spielen im osmanischen Reich, Palästina unter britischem Mandat, der Westbank und in Israel. Ihr Roman nähert sich Gewalt und der Überwindung der Sprachlosigkeit, die sie mit und nach sich zieht. Konkret geht es um die Massenvergewaltigung und den Mord an einer Beduinin im Jahr 1949 durch israelische Soldaten. Ihre wahre Geschichte versucht die Protagonistin zu erforschen. Die Autorin tut dies ohne Kitsch, Verharmlosung oder Anklage, nicht durch das Explizite, sondern durch Auslassungen und den Fokus auf die genaue Rekonstruktion der Umstände.
"Omertà. Buch des Schweigens" von Andrea Tompa, aus dem Ungarischen von Terézia Mora
Vier Figuren erzählen vom Leben in der rumänischen Provinz um 1940, als die bäuerliche Umgebung der Stadt Klausenberg nach sowjetischem Vorbild kollektiviert, Dörfer und Siedlungen plattgemacht werden. Gärtner Vilmos macht Karriere im Stalinismus, den erzählenden Frauen ergeht es weniger gut. Die Redeform entwickelt ihren eigenen Sog, als Geständnis, Lebensbeichte, Selbsterkenntnis. Übersetzt wurde das ganze von der mehrfach ausgezeichneten deutsch-ungarischen Autorin Terézia Mora.
Die Vergabe des Internationalen Literaturpreises findet am 22. Juni im Haus der Kulturen der Welt statt.
Autorin Julia Hitz
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