Kalabrien ist die südlichste Region des italienischen Festlands, gewissermaßen die "Fußspitze" des italienischen Stiefels.
Umgeben vom Tyrrhenischen Meer im Westen und dem Ionischen Meer im Osten bietet es 800 Kilometer überwiegend traumhafter Strände. Hinzu kommen zahlreiche Nationalparks, malerische Ortschaften, altertümliche Ruinen und eine große kulinarische Vielfalt regionaler Köstlichkeiten - eigentlich beste Voraussetzungen dafür, eine Top-Location für Urlauber zu sein.
Doch lange Zeit hatte die Region einen schlechten Ruf: Kalabrien war vor allem bekannt durch die dort herrschende organisierte Kriminalität. Und so ist es die italienische Region mit den wenigsten internationalen Touristen. Nach Zahlen der Statistik-Organisation Demoskopika kamen von den knapp zwei Millionen Touristen im Jahr 2019 nur 20 Prozent aus dem Ausland. Das entspricht nur einem halben Prozent der insgesamt 65 Millionen internationalen Reisenden, die Italien in dem Jahr besuchten.
Von der Herausforderung zur Chance
"Touristen suchen heute immer häufiger nach erlebnisorientierten Angeboten und achten auf lokale Angebote wie Landwirtschaft, regionales Essen und Trinken und was die örtlichen Gemeinschaften noch so zu bieten haben", sagt Professor Tullio Romita, Leiter des Tourismus-Studiengangs an der Universität von Kalabrien. "Sie wollen den Ort kennenlernen, den sie besuchen." Das bedeute ein riesiges Wachstumspotenzial für Kalabrien, so der Wissenschaftler.
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Die regionale Tourismusbehörde bemüht sich, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln, die zugleich auch die kalabrische Kultur herausstellt. "Wir haben hier ein einzigartiges Erbe mit Dingen, die es nirgendwo sonst gibt", betont Fausto Orsomarso, Stadtrat für regionale Arbeit, wirtschaftliche Entwicklung und Tourismus.
Eins der Projekte heißt "Terra dei Padri", was so viel bedeutet wie "Land der Väter". Es widmet sich der Geschichte Kalabriens und bedient damit den wachsenden Sektor des sogenannten "Wurzeltourismus". Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass immer mehr Menschen in die Herkunftsregionen ihrer Vorfahren reisen. "Weltweit gibt es 50 bis 60 Millionen Menschen mit italienischen Wurzeln - und viele von ihnen stammen ursprünglich aus Kalabrien", sagt Professor Romita. "Sie wollen Teil der Gemeinschaft werden und sind auf der Suche nach einem fehlenden Teil ihrer Identität."
Albanische Minderheit
Andernorts haben die Bürgerinnen und Bürger die lokalen Ressourcen optimal genutzt und die lokale Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lassen. In Pallagorio, einer von mehreren Städten, in denen sich im 15. Jahrhundert vor den Osmanen fliehende albanische Gemeinschaften - bekannt als Arberesh - niederließen, befindet sich das Büro von Instaruga. Es verbindet kleine lokale Reiseveranstalter mit größeren Reisebüros, Reiseunternehmen und Wiederverkäufern - insbesondere in Deutschland und Frankreich - und hilft ihnen, ein größeres Publikum zu erreichen, sagt Mitbegründer Fabio Spadafora.
Eines seiner meistgebuchten Angebote ist die "Arberia Tour", die einen Überblick über die kulinarischen und kulturellen Traditionen der albanischen Minderheit verspricht. Dafür geht es in die Städte Pallagorio, Carfizzi und San Nicola dell'Alto. Die Teilnehmer können traditionellen Tanzveranstaltungen beiwohnen, typische Gerichte der Arberesh probieren und viel Wissenswertes über die traditionellen Trachten erfahren.
Das "wahre Kalabrien" erleben
Im Schatten der schwäbisch-normannischen Burg aus dem 12. Jahrhundert organisiert die örtliche Fremdenführerin Carmela Bilotto zwischen ehemals prächtigen, jetzt aber verfallenen Palazzi in der Altstadt von Cosenza Führungen, bei denen die Teilnehmer "das alltägliche Leben des Ortes" kennenlernen, ohne dass etwas beschönigt wird.
Dieser Teil der Stadt ist reich an Geschichte und verborgenen Schätzen - zugleich aber auch der ärmste und am wenigsten gepflegte. Überall sind behelfsmäßige bauliche Verbesserungen zu sehen, die die alten Gebäude erhalten sollen.
Eine weitere Möglichkeit, das authentische Kalabrien zu erleben, ist die Wanderung auf dem Cammino Basiliano. Insgesamt verbindet der 1400 Kilometer lange Weg 140 Orte auf den Spuren der Basilianermönche, eines griechisch-italienischen Ordens, der den Lehren des Heiligen Basilius folgte.
Der Weg führt über schroffe Gipfel und durch dramatische Täler. Er fördert nicht nur die Entdeckung von oft vernachlässigten Gebieten im Landesinneren, sondern gibt auch 40 lokalen Guides Arbeit und bringt örtliche Unternehmen wie Gaststätten, Hotels und Pensionen buchstäblich auf die Landkarte. Die kann von jedem, der sich auf die Wanderung begeben möchte, kostenlos heruntergeladen werden.
Nach Ansicht des Ethnobotanikers Carmine Lupia, der zu den Gründern des Cammino Basiliano gehört, ist diese Art von Tourismus "der einzige Weg" für Kalabrien. Die zerklüftete Geografie der Region, die zu einem großen Teil aus schwer zugänglichen Bergen besteht, erfordert ein langsameres Tempo.
Und durch die Förderung des einzigartigen kulturellen Erbes Kalabriens und eines langsameren Tourismus, um es zu erleben, könnte dieser Teil Italiens bald tatsächlich mehr internationale Gäste anziehen.
Autorin Teresa O'Connell
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