Schwieriger Neustart: Chinas Touristen lassen auf sich warten

4 Feb

Bislang ist der große Ansturm ausgeblieben. Chinesische Touristen sucht man in diesen Tagen in Neuschwanstein noch vergeblich. 

 

Zwar können Chinas Staatsbürger nach fast drei Jahren Corona-Unterbrechung allmählich wieder auf Reisen gehen, ohne nach der Rückkehr wochenlag in Quarantäne zu müssen, bislang gebe es aber lediglich "vereinzelte Buchungen" von Gruppen, die eine Führung auf Mandarin durch das historische Bauwerk wünschen, heißt es bei der Bayerischen Schlösserverwaltung. Dabei steht Neuschwanstein nach wie vor ganz oben auf der Liste vieler chinesischer Deutschland-Urlauber. Vor der Pandemie betrug der Anteil der Führungen auf Mandarin etwa 20 Prozent.

Visa gibt es nur bei zwingendem Reisegrund

Vorerst sei trotz der Lockerungen mit keiner großen Reisewelle aus China zu rechnen, sagt Wolfgang Arlt, Geschäftsführer des China Outbound Tourism Research Institute (COTRI) in Hamburg. Das werde sich auch bis Ostern nicht ändern, prognostiziert er. Zu hoch sind noch die Hürden. Zum einen grassiert in China weiterhin das Corona-Virus mit hohen Ansteckungszahlen. Bereits Anfang Januar einigten sich die EU-Mitgliedsländer daher darauf, für alle Passagiere, die aus China einreisen, eine Testpflicht einzuführen. 


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Zudem stellen die Deutschen Vertretungen in China derzeit Visa nur bei Vorliegen eines zwingenden Reisegrunds aus. Touristische Reisen gehören ausdrücklich nicht dazu. Auch die Fluggesellschaften müssen ihr Angebot erst wieder allmählich hochfahren. Dennoch ist die ganze Branche bereits "elektrifiziert", wie Arlt sagt.

Warum das so ist, erschließt sich auf den ersten Blick nicht unbedingt, zumindest aus europäischer Sicht. Denn nur Italien schafft es überhaupt unter die Top-Ten der beliebtesten Reiseziele der Chinesen – mit knapp 3,2 Millionen Urlaubern im Jahr 2019. Ganz oben stehen in der Liste mit Hongkong, Macau, Thailand, Japan, Südkorea, Vietnam und Singapur ausschließlich asiatische Destinationen. Frankreich, Deutschland, Österreich und die Schweiz tauchen immerhin in den Top-20 auf, wenn auch weit abgeschlagen.

Chinesen geben dreimal soviel aus wie Deutsche

Tatsächlich handelt es sich bei den Chinesen in Europa rein zahlenmäßig um eine touristische Randgruppe. So gab es im Jahr 2019 in Deutschland lediglich knapp drei Millionen Übernachtungen chinesischer Touristen – die Gesamtzahl lag bei fast 500 Millionen. Ganz ähnlich ist das Bild in der Schweiz. Dort weisen die Statistiken für das Jahr 2019 genau 1,85 Millionen Übernachtungen aus, bei einer Gesamtsumme von knapp 40 Millionen. Auch in Spanien ist die Lage vergleichbar: 2019 kamen von mehr als 83 Millionen Urlaubern gerade einmal 700.748 aus China. Dennoch verfolgt man auch bei Turespaña die dortige Entwicklung genau. "Die Erwartungen sind riesig", sagt eine Sprecherin des spanischen Tourismusverbandes.

Dass das so ist, liegt an den Besonderheiten der chinesischen Touristen. Diese geben beispielsweise ganz besonders viel Geld aus. In Spanien sind es Turespaña zufolge 308 Euro am Tag – mehr als doppelt soviel wie die deutschen Urlauber. In der Schweiz belaufen sich die täglichen Ausgaben chinesischer Touristen auf durchschnittlich 380 Franken – fast dreimal soviel wie die deutscher Reisender. Aber das ist noch nicht alles, wie Wolfgang Arlt erklärt. "Chinesische Touristen kommen nicht, um Urlaub zu machen, sondern um möglichst viel in kurzer Zeit zu erleben und zu sehen", sagt er. Das berge eine große Chance für touristische Destinationen, die die Saisonabhängigkeit verringern und sich breiter aufstellen wollen. Spaniens Touristiker versuchten beispielsweise seit Jahren erfolglos, den Deutschen beizubringen, dass man dort nicht nur im Sommer am Strand liegen kann. "Die Chinesen sind da noch viel besser formbar." Mit einer klugen Strategie könnte man hier die Art Tourismus schaffen, die man schon immer wollte. Bei Turespaña nennt sich dieses Phänomen "Diversifizierung der Reisemotive": Chinesische Urlauber kämen in erster Linie wegen Kultur und Gastronomie und nicht wie andere in erster Linie wegen des sonnigen Klimas.

Gleichzeitig aber ist auch immer wieder vom "starken Potenzial" des chinesischen Tourismus die Rede, wie etwa bei der Deutschen Zentrale für Tourismus. Kein Wunder, handelt es sich doch um den größten touristischen Quellmarkt der Welt: Im Jahr 2019 sind von China 170 Millionen internationale Reisen ausgegangen. 2023 würden es immerhin 110 Millionen, schätzt Arlt, im Jahr 2030 dann bereits 228 Millionen. Selbst, wenn sich 99,8 Prozent aller Chinesen nicht für die deutsche Geschichte interessieren, rechnet er vor, dann seien die restlichen 0,2 Prozent immer noch eine ausreichend große Zielgruppe. Und so dürfte sich die Lage auch in Neuschwanstein demnächst wieder auf Vor-Corona-Niveau einpendeln, vermutet er. Die Zahl der chinesischen Besucher werde auch dort wieder steigen, selbst wenn viele der Touristen aus Fernost schon einmal dort waren.

 

Autor Jonas Martiny

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