Trends und Traditionen auf deutschen Friedhöfen

2 Nov

Es gibt zwei Trends in der deutschen Bestattungskultur: auf der einen Seite den Wunsch nach individuellen Trauerfeiern, die dem Leben der Verstorbenen gerecht werden. 

 

Auf der anderen Seite familiäre und ökonomische Erwägungen, die immer häufiger ausschlaggebend für Entscheidungen bezüglich Beisetzung, Art der Grabstätte und der Grabpflege sind, so Simon J. Walter, Kulturbeauftragter der Stiftung Deutsche Bestattungskultur im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das Verhältnis der Feuerbestattung zur Erdbestattung betrage deutschlandweit mittlerweile drei zu eins.

Der Friedhof sei als zentrales Kulturgut und öffentlicher Ort der Trauer nach wie vor sehr wichtig, allerdings müsse er "neu und ganzheitlicher gedacht" werden und viel stärker als bisher die Bedürfnisse der Trauernden ins Zentrum stellen. Immer weniger Bundesbürger möchten in einer klassischen Grabstätte beigesetzt werden, ergab auch eine Umfrage 2019 im Auftrag von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur. Zunehmend beliebter werden Angebote, die keine Grabpflege erfordern. "Genau da liegt die Chance der Friedhöfe", so der Aeternitas-Vorsitzende Christoph Keldenich.


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"Stärker in den Fokus der Öffentlichkeit"

Bislang ist es aber offenbar nicht so leicht, diese Chance auch zu nutzen. Es gebe zwar einige Modellfriedhöfe, zum Beispiel Europas größten Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf, die jetzt schon auf die Bestattungswünsche und Bedürfnisse der Hinterbliebenen eingehen und alle modernen Bestattungsvarianten anbieten, so Walter. Zum großen Teil aber seien Friedhöfe mit ihren vielen Vorschriften unflexibel, bedauert der Kulturbeauftragte. "Friedhöfe erfüllen wichtige Funktionen in unseren Gemeinwesen und diese gehören viel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit", meint Walter, der sich einen breiten gesellschaftlichen Dialog rund um die aktuellen Probleme, vor allem aber auch die Potentiale, des Friedhofs wünscht.   

Der Trend zur Feuerbestattung und neue Möglichkeiten der Beisetzung, die nicht mehr an den klassischen Friedhof gebunden sind, zum Beispiel Seebestattung oder Baumbestattung in einem Bestattungswald. Das bedeutet auch: Es gibt sehr viele Freiflächen, denn eine Urne braucht deutlich weniger Platz als ein Sarg.

Bestattungsgärten immer beliebter

Vielleicht kommt dem ja ein dritter Trend entgegen: pflegefreie Gemeinschaftsgrabanlagen, deren Einrichtung nicht zuletzt den "Lebenswirklichkeiten in unserer mobilen Gesellschaft" geschuldet sei, so Walter.

Diese weitläufigeren, bepflanzten und gestalteten Flächen sind fast schon kleine blühende Parkanlagen, mit Platz für Sargbestattungen und Urnen. Sie werden als Alternative zu herkömmlichen Einzelgräbern immer beliebter. Die Grenzen der einzelnen Gräber sieht man nicht, aber Hinterbliebene haben einen Ort der Trauer - ohne sich um ein Grab kümmern zu müssen. 

Die meisten Menschen halten an Traditionen fest, dazu gehören die Trauerfeier und das Traueressen, meist Leichenschmaus genannt. Nur die Rahmenbedingungen haben sich geändert, erklärt Walter: Trauernde wollten einen "maßgeschneiderten Abschied mit traditionellen Elementen."

Das habe sich insbesondere in den ersten anderthalb Jahren der Corona-Pandemie gezeigt, wenn Abschiede aufgrund behördlicher Auflagen nicht frei gestaltet und beispielsweise nur in kleinstem Kreis stattfinden konnten. Was diese einschneidenden Erfahrungen für den Trauerprozess von Familie und Freunden bedeuteten, so Walter, werde erst die Zukunft zeigen.

Immerhin: die Pandemie hat digitale Entwicklungen in Bestattungs- und Trauerkultur beschleunigt. Es gibt digitale Trauerorte, QR-Codes auf Grabsteinen - manche Bestatterinnen und Bestatter bieten an, per WhatsApp Traueranzeigen zu verschicken, andere streamen die Trauerfeier oder zeichnen sie auf, damit Angehörige auch im Nachhinein noch Abschied nehmen können.

 

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Autorin Dagmar Breitenbach    

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