Sechs Tore, sechs verschiedene Schützinnen: Sinnbildlich für die kollektive Stärke des VfL Wolfsburg sind schon die erfolgreichen Abschlüsse dieses Nachmittags. Aber nicht allein diese.
Kollektivtriumph des VfL Wolfsburg
Gern erzählt man die Geschichte eines Titels anhand von Gesichtern, das ruhig ausgespielte 6:0 über die Verfolgerinnen aus München aber ist keine Geschichte einer überragenden Spielerin, sondern eine Verflechtung vieler Geschichten, die hier ihren zwischenzeitlichen Höhepunkt fanden. Jene von Svenja Huth zum Beispiel, der Spätzünderin, die erst über Potsdam mit 28 Jahren zum VfL in die nationale Spitze fand und für dessen Offensive so unersetzlich geworden ist. Mit einem Traumtor läutete sie den Erfolg ein, mehr noch hält Huth aber mit ihren Vorlagen und Steilpässen an jedem Spieltag die Offensive am Laufen. Es ist auch die Geschichte von Tabea Waßmuth, gerade erst von Hoffenheim nach Wolfsburg gekommen, die eine wirklich große Saison spielt und diese mit der ersten Meisterschaft krönen dürfte. Gegen die Bayern bekam die vielseitige Offensivspielerin erst ein Tor zu Unrecht aberkannt, dann erzielte sie einfach noch eines. Und nicht zuletzt war es der Nachmittag der Langzeitverletzten: Sowohl Alex Popp als auch Ewa Pajor erzielten ihre ersten Treffer nach langer und schmerzhafter Abstinenz. Beide wurden dafür gefeiert. Eine Wolfsburger Gruppenarbeit im besten Sinne.
Die neuen Meisterinnen werden also aus Wolfsburg kommen. Auch, wenn rein rechnerisch die Schale für die Bayern noch zu holen ist: Mit vier Punkten Vorsprung bei noch drei leichten Spielen und dem rauschhaften 6:0-Sieg über die Verfolgerinnen ist die Sache klar. Der Clasico der deutschen Frauen, das Duell der beiden entrückten Titaninnen der Liga, hätte sich manche Zuschauerin gewiss spannender erhofft. Dass es so schnell entschieden war, ist auch eine Corona-Geschichte. Die Münchnerinnen, die aktuell kaum mehr genug fitte Spielerinnen haben, um eine erste Elf zu befüllen, hatten sich schon gegen Paris Saint-Germain am Ende nur noch über den Platz geschleppt. Von fairen Wettbewerbsbedingungen kann leider nicht die Rede sein. Während des Wolfsburg-Spiels nun zerfiel das Team schlicht. Zu Anfang der Pandemie hätte es gewiss darüber Diskussionen gegeben. Nun nimmt der Fußball die heftigen Verzerrungen fast achselzuckend hin.
Die Leistung der Wolfsburgerinnen aber schmälert dieses eher ungleiche Titelduell nicht. Der neu zusammengestellte VfL, der zu Saisonbeginn kurz Schwierigkeiten hatte, sich zu finden, spielt spätestens in der Rückrunde so selbstbewusst, variabel, souverän, wie eine Meisterin das tut. Ein Team der vielen Geschichten. Und im Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona dürften sie eine würdige Fortsetzung folgen.
Abstieg für Carl Zeiss Jena steht fest
Schon vor dem Spieltag waren die Chancen auf den Klassenerhalt in Jena nur noch theoretischer Natur. Eine Lizenz für die nächste Bundesliga-Saison hat der Klub gar nicht mehr beantragt. Nun ist mit dem 0:4 gegen Eintracht Frankfurt auch sportlich der Abstieg besiegelt. "Wir rechnen nur noch mit der zweiten Liga", sagte Torhüterin und Kapitänin Inga Schuldt der DW schon vor der Partie. "Wir wollen da realistisch rangehen. Gerade die Jüngeren sollen es einfach genießen, nochmal erste Liga zu spielen, gegen Champions-League-Teams und Nationalspielerinnen." Die Lücke zwischen den Thüringerinnen und vielen anderen Klubs war so groß, dass sie zeitweise eher wie Touristinnen wirkten in dieser Liga.
"Bei wichtigen Spielen haben wir Punkte liegen gelassen", kritisiert Schuldt, etwa gegen Sand und Bremen. "Wir waren nicht abgezockt genug vor dem Tor. Wir haben wenige erfahrene Spielerinnen, viele Debütantinnen, all das waren Faktoren." Und dennoch: Wegen des intensiveren Trainings und des hohen Spielniveaus habe sich jede Spielerin enorm entwickelt. Das gilt nicht zuletzt für Schuldt selbst, die diese Saison zur Stammtorhüterin wurde und durch die frühe Verletzung von Anja Heuschkel zur Kapitänin reifte. "Ich bin extrem dankbar für das Vertrauen und die Spielzeit." Jetzt wolle man nochmal ein bisschen Spaß beim Spiel haben. Jena versucht, mit positivem Gefühl aus der Saison zu gehen.
Wie aber soll überhaupt irgendein Aufsteiger, der nicht RB Leipzig heißt, mit seinen bescheidenen Mitteln in dieser Runde mithalten? "Die letzten Jahre war der Sprung von der zweiten in die erste Liga sehr groß", kritisiert auch Schuldt. "Wir waren für die zweite Liga zu gut, für die erste zu schlecht." Ein separater Topf für die Teams ohne Männer-Spitzenklub im Rücken ist die offensichtlichste Lösung, aber dem DFB, der lieber auf die Eigenmittel der großen Männerklubs setzt, zu egal. Und offenbar auch unter Spielerinnen wenig populär. "Ich als Spielerin eines betroffenen Klubs würde natürlich sofort Ja sagen", so Inga Schuldt. "Aber man muss auch sehen, dass diese Teams Champions League spielen, dass sie sich den Erfolg erarbeitet haben. Besser wäre es, in den anderen Vereinen die Strukturen und Bedingungen zu verbessern."
Der Glaube des Fußballs an Aufrüstung und Leisten ist offenbar ungebrochen. Und Jena? Will sich in der zweiten Liga erst mal "wieder sammeln und durchatmen", sagt Schuldt. Was dann kommt, steht in den Sternen. Der Verein ist unter dem neuen Gesellschafter Lars Eberlein gerade dabei, sich mit einem Zukunftskonzept neu aufzustellen, Nachhaltigkeit und regionale Verwurzelung statt Schulden. Mit dem Teilrückzug des umstrittenen Investors Roland Duchatelet gibt es aber erst mal vor allem deutlich weniger Geld.
Аutorin Alina Schwermer
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