Barbra Streisand hat alles erreicht, wovon ein Star nur träumen kann. Seit mehr als 60 Jahren feiert sie weltweit Erfolge.
Sie hat 145 Millionen Alben verkauft - mehr als die Beatles - und gleich mehrere Oscars, Emmys und Golden Globes gewonnen. Rund um den Globus liegen ihr die Fans zu Füßen. Doch manchmal kommt das Mädchen zum Vorschein, das in ärmlichen Verhältnissen in Brooklyn aufwuchs. Sie habe kein Problem damit, große Summen Geld für wohltätige Zwecke zu spenden, erzählte sie einmal TV-Moderatorin Oprah Winfrey. "Aber der Brooklyn-Teil in mir fragt immer noch: "Kostet diese Fliese wirklich 10,95 Dollar?"
Alles andere als ein "hässliches Entlein"
Die New Yorkerin ist alles andere als eine unnahbare Klischee-Diva. Wegen ihrer großen Nase und ihrem Silberblick wurde sie in ihrer Jugend oft als "hässliches Entlein" tituliert - aber eine Schönheits-OP hat sie nie in Erwägung gezogen: "Ich hatte Angst vor dem Schmerz. Und wie könnte ich dem ästhetischen Geschmack eines Arztes vertrauen? Wie würde ich wissen, dass er nicht zu viel wegschneidet?"
Ihr scheinbarer Makel macht sie für ihr Publikum umso liebenswerter. Ebenso, dass sie Zeit ihres Lebens unter Lampenfieber leidet, ihre Angst nur mit Tabletten in den Griff bekommt und rote Teppiche meidet. Sie sei ziemlich normal, sagt Streisand über sich selbst, in vielerlei Hinsicht gewöhnlich. Ganz so gewöhnlich dann doch nicht, denn immerhin hat sie es aus ärmlichen Verhältnissen in den Künstler-Olymp geschafft - mit viel Engagement und noch mehr Talent.
"Funny Girl" statt Shakespeare
Barbra kommt am 24. April 1942 im New Yorker Stadtteil Brooklyn als Kind jüdischer Eltern mit polnisch-russischen Vorfahren zur Welt. Ihr Vater stirbt, als sie gerade mal 15 Monate alt ist. Die Mutter, eigentlich Sängerin, bringt die kleine Familie mit ihrem Job als Schulsekretärin über die Runden. Das künstlerische Talent der Mutter wurde Barbra wohl in die Wiege gelegt. Schon früh träumt sie von einer klassischen Schauspielkarriere und nimmt mit 14 Jahren Unterricht.
Gleichzeitig singt sie im Schulchor und später in kleinen Nachtclubs. "Weil ich als das 'Kind von der Straße mit der guten Stimme' bekannt war, habe ich mich bei einem Talentwettbewerb beworben", erzählte sie einmal dem britischen "Telegraph". "Ich dachte, so kann ich mir ein paar Mahlzeiten leisten, bevor ich Shakespeare oder Ibsen spiele."
Den ersten Oscar gibt's 1969 für "Funny Girl"
Den Wettbewerb gewinnt sie, danach geht es stetig aufwärts mit der Karriere - nicht auf der Theaterbühne, sondern als Sängerin. Barbra bekommt Engagements in namhaften Clubs, debütiert mit 19 am Broadway und bekommt ebenda zwei Jahre später den Kritikerpreis als beste Musical-Darstellerin für ihre Rolle in "I can get it for your Wholesale".
Fast zeitgleich erscheint ihr Barbra Streisand-Album, das mit gleich zwei Grammys geehrt wird. Das Musical "Funny Girl" bringt ihr den endgültigen Durchbruch. Es erzählt die Geschichte der jüdischen Komödiantin Fanny Brice, die 1910 trotz aller Unkenrufe zum Broadway-Star wurde, galt sie doch als hässliches Entlein. Die Rolle scheint Barbra auf den Leib geschneidert.
Karriere in Hollywood
Das Musical wird in Hollywood verfilmt, und 1968 kann sich die gerade mal 25-Jährige über einen Oscar als beste Hauptdarstellerin freuen. Es ist ihr erster großer Auftritt auf der Leinwand. Filme wie "Is' was, Doc?" (1972), "So wie wir waren" (1973), "Nuts... Durchgedreht" (1987) oder "Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich" (2010) folgen und zeigen die ganze Bandbreite ihres Schauspieltalents von der Komödie bis zum Drama. Zu Streisands Filmpartnern zählen Omar Sharif, Yves Montand, Sidney Poitier, Nick Nolte, Dustin Hoffman und Robert de Niro. Am liebsten aber habe sie gemeinsam mit Robert Redford gespielt, so der Weltstar: "Wir wussten nie genau, was der andere machen würde, haben uns genau beobachtet und waren aneinander interessiert, und ich glaube, die Zuschauer haben das gemerkt."
1983 erscheint "Yentl": Streisands erster Film als Produzentin, Regisseurin, Hauptdarstellerin und Sängerin in einer Person. Es geht um ein jüdisches Mädchen, das den Talmud studieren will. Da das Frauen verboten ist, verkleidet sie sich als Mann und besucht dann eine Yeshiva, eine Religionsschule. "Ich will ja nicht prahlen", sagt Streisand damals der Presse, "aber Steven Spielberg meinte zu 'Yentl', er hätte ja gern was kritisiert, doch gebe es in seinen Augen nach 'Citizen Kane' keinen besseren Film." "Yentl" gewinnt schließlich einen Oscar für die beste Filmmusik.
Auch Streisands zweite Regiearbeit "Herr der Gezeiten" (1991), in dem sie ebenfalls die Hauptrolle spielt und in dem auch ihr Sohn Jason Gould zu sehen ist, wird mit Lob überschüttet und ist gleich siebenfach für den Oscar nominiert.
"Eine Stimme wie flüssige Diamanten"
In den meisten ihrer Filme singt Barbra - und wie sie singt. "Ich danke Gott dafür, dass er mir eine gute Stimme gegeben hat", hat sie mal gesagt. Als der damals noch amtierende US-Präsident Barack Obama ihr 2015 die "Presidential Medal of Freedom", eine der höchsten zivilen Auszeichnungen des Landes, verleiht, bescheinigt er Streisand "eine Stimme wie flüssige Diamanten". Viele ihrer Songs wie "Woman In Love", "The Way We Were", "A Star Is Born" oder "Guilty" sind längst Evergreens.
Ans Aufhören denkt die quirlige Entertainerin mit 80 Jahren noch lange nicht. Sie unterstützt den Umweltschutz, ist auf Social Media politisch und gesellschaftlich aktiv, unterstützt Fraueninitiativen und meldet sich auch im aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine mit kritischen Worten. In einem Tweet schreibt sie einen Tag nach der russischen Invasion, dass ihre Großeltern väterlicherseits aus der Ukraine stammen und dass Putins Propaganda über die "Entnazifizierung" der Ukraine die größte Lüge des Jahrhunderts sei.
Wenn Streisand zwischen all ihren Aktivitäten mal Zeit hat, zieht sie sich nach Kalifornien zurück, wo sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem Schauspieler James Brolin, an der Küste von Malibu lebt.
Autorin Suzanne Cords
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