Warum Deutschland sich ein Entwicklungsministerium leistet

19 Sep

FОТО: PIXABAY.COM.


Als einzige westliche Industrienation hat Deutschland ein Ministerium für Entwicklungshilfe. Die liberale Regierungspartei FDP will es abschaffen. Ministerin Svenja Schulze verteidigt es bei ihrer Reise in Pakistan.

 

Fast 34 Milliarden Euro hat Deutschland im vergangenen Jahr für Entwicklungshilfe ausgegeben. Damit belegt die Bundesrepublik Platz vier beim Anteil der offiziellen Entwicklungshilfe am staatlichen Gesamteinkommen. Nur Norwegen, Luxemburg und Schweden geben einen größeren Teil ihres Staatseinkommens an ärmere Länder. Im Kreis der wichtigsten westlichen Industrienationen G7 steht Deutschland sogar ganz vorne. Doch angesichts einer lahmenden Wirtschaft sind die öffentlichen Gelder in Deutschland knapp. Seit Monaten streiten die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP um einen neuen Haushaltsplan. Laut Entwurf kürzen sie die Entwicklungshilfe im nächsten Jahr um 940 Millionen Euro.


Was auf dem Planeten und in jeder einzelnen Stadt passiert

jetzt und jeden Tag in der Zukunft erfahren Sie es hier:

https://ixyt.info/de/USA/Beaverton

Fügen Sie die gewünschte Stadt in diesen Link ein!

 

Besuch in Pakistan

Muss Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sich deshalb Sorgen machen um die deutsche Entwicklungspolitik? "Nein, ich habe keine Sorge, dass das unter die Räder kommt", sagt die SPD-Politikerin am Rand einer Pakistan-Reise. In der Hauptstadt Islamabad versprach sie lokalen Zulieferbetrieben Beratung bei der Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards. Die schreibt das deutsche Lieferkettengesetz vor. Deutschland sei eine Exportnation, die deutsche Wirtschaft deshalb abhängig von guten Partnerschaften und langfristigen Beziehungen, sagt Schulze: "Und das leisten wir über die Entwicklungszusammenarbeit.

In Pakistan wollte sich Schulze informieren, wie das deutsche Lieferkettengesetz bei der Herstellung von Textilien vor Ort eingehalten wird. Das Gespräch mit Pakistans neuem Premier Shehbaz Sharif dazu soll konstruktiv gewesen sein, heißt es aus dem Umfeld. Doch es wäre beinahe nicht zustande gekommen, denn das Sicherheitspersonal forderte Schulze auf, ihre Handtasche vor dem Treffen mit dem Premier abzugeben, was die Ministerin jedoch ablehnte. Erst in letzter Sekunde konnte ein Eklat abgewendet werden.

 

Radwege in Peru

Armut bekämpfen, Demokratie und Menschenrechte stärken - das sind Leitlinien der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, wie Schulze sie beschreibt. "Dass Kinder zur Schule gehen können und nicht arbeiten müssen, dass die Wirtschaft vorankommt, dass die Umwelt geschützt wird, dass Klimaschutz vorangebracht wird: Das sind alles Dinge, die sind nicht nur für die Länder jeweils wichtig, sondern auch für uns in Deutschland."

Zuletzt wurden jedoch immer wieder Stimmen laut, die das deutsche Engagement im Ausland kritisieren. Etwa, dass Schulzes Ministerium den Bau von Radwegen in Peru finanziert. 315 Millionen Euro gebe Deutschland dafür, behaupteten Oppositionspolitiker. Das Ministerium korrigierte: man zahle 44 Millionen Euro - und fördere damit Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Nicht nur einzelne Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden zuletzt immer stärker in Frage gestellt. Einige Politiker fordern, das BMZ, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gleich ganz abzuschaffen. Das BMZ solle ins Auswärtige Amt eingegliedert werden, fordert die liberale FDP, selbst Teil der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz.

"Es steht bei uns auch im Wahlprogramm, es ist kein Geheimnis, es ist immer schon eine Forderung gewesen", sagt Knut Gerschau, Obmann der FDP im Entwicklungs-Ausschuss des Bundestages. Er ist Teil der Delegation, die Ministerin Schulze auf ihrer Reise zu pakistanischen Textilfabriken begleitet. In keinem anderen europäischen Land gebe es ein eigenes Entwicklungsministerium, betont Gerschau im DW-Interview.

 

"Auf internationaler Bühne präsent"

Auch andere große Industrienationen wie Japan oder die USA leisten sich kein eigenes Ministerium. "Dort sind diese Aufgaben auch in anderen Ministerien eingelagert. Aber es ist mit Sicherheit ein eher langfristiges Ziel." Gerschau erhofft sich von einer Abschaffung mehr Effizienz. Es gebe viele Dopplungen, Stellen könnten abgebaut werden. Auf jeden Fall brauche es ein eigenes Ministerium, sagt dagegen Ministerin Schulze. "Wir haben das in Großbritannien gesehen. 

Als die ihr eigenes Ministerium abgeschafft haben, waren sie auf der internationalen Bühne nicht mehr präsent." Es sei aber wichtig, die eigenen Interessen und Werte auf der internationalen Ebene zu vertreten. "Dafür braucht es Leute mit Kompetenz, und dafür braucht es auch die Vertretung. Das kann nicht alles in einem Wirtschafts-, in einem Außenministerium oder in einem Finanzministerium einfach angedockt werden."

 

Ministeriumstatus seit 1961

Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe seien in angespannten Zeiten besonders wichtig, betont Jürgen Kretz von den Grünen. Der Bundestagsabgeordnete begleitet Schulze ebenfalls auf ihrer Pakistan-Reise. "In einer sich anspannenden Weltlage, wo Akteure wie China und Russland uns im internationalen Mächtespiel gegenüberstehen, da ist es wichtig, mit Partnerländern weiter im Gespräch zu bleiben, in der Kooperation zu bleiben und nicht dort das Feld anderen zu überlassen," sagt Kretz der DW. 

Ein starkes, eigenständiges Entwicklungsministerium sei im Interesse Deutschlands, "weil wir dadurch eine stabile, gut funktionierende, sichere Weltordnung unterstützen können." Deutschland war das erste Land Europas, das die Entwicklungspolitik an den Kabinettstisch holte. Bereits seit 1961 gibt es das Entwicklungsministerium. Ein treibender Faktor für die Bundesregierung damals: Sie hatte nach dem Krieg mit dem Marshallplan selbst Hilfe in Milliardenhöhe aus den USA erhalten. Diese Unterstützung gilt als Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands.

 

Autors: Peter Hille, Katharina Kroll

Permalink - https://p.dw.com/p/4jlS9


Das bla-bla.online!-Projekt ist eine Internet-Plattform, die es ermöglicht, jederzeit und aus jedem Punkt des Planeten einen Experten in jedem Wissensgebiet zu finden und sich von ihm beraten zu lassen. Sind Sie ein Fachmann/eine Fachfrau in einem bestimmten Thema? Dann melden Sie sich kostenlos im unseren Online-Katalog an und verdienen Sie auf Ihrem Wissen und Können, indem Sie den anderen helfen!
Was passiert in Ihrer Nähe in den nächsten Tagen und Stunden? Wählen Sie auf der iXYt-Karte eine beliebige Stadt aus und reisen Sie vom Ereignis zum Ereignis. Dort werden auch die Tickets verkauft!

Kommentar hinterlassen

Ich stimme der Verarbeitung personenbezogener Daten zu und habe die Bedingungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten gelesen. Datenschutzrichtlinie.
Deaktivieren Sie dieses Kontrollkästchen, wenn Sie kein Roboter sind!