Wie die Kulturszene Solidarität mit der Ukraine zeigt

7 Mär

Nach einer Schweigeminute ertönte am Sonntagvormittag die Nationalhymne der Ukraine in der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Schon der Anfang dieses "Konzerts für den Frieden - zugunsten humanitärer Hilfe für die Ukrainer:innen" ging ans Gemüt. Dafür sorgte nicht nur die Musik. Dirigent Daniel Barenboim trat ans Rednerpult und hielt mit ernster Miene eine sehr persönliche, bewegende Ansprache. Der 79-Jährige erinnerte daran, dass sein Großvater aus der Ukraine und seine Großmutter aus dem heutigen Belarus vor den Pogromen des Zweiten Weltkriegs nach Argentinien geflohen waren.

"Diese Region hat schon so viel Leid erlebt", sagte er. "Nie" hätte sich der argentinisch-israelische Pianist und Dirigent träumen lassen, dass so ein "Konflikt noch einmal in Europa ausbrechen würde". Die Ukraine würde die Freiheit und die Werte aller Menschen verteidigen.

"Keine Worte können das Leid der Ukraine ausdrücken"

Zugleich mahnte Barenboim, der mit der russischen Pianistin Jelena Baschkirowa verheiratet ist, russische Kultur und russische Politik nicht zu vermengen und warnte davor, alle Russen unter einen Generalverdacht zu stellen. Dieser Boykott ende sonst in einer "Hexenjagd", wie sie die Geschichte schon einmal erlebt habe.

Wenn russische Literaten wie Dostojewski nicht mehr gelesen würden oder klassische Musik aus Russland nicht mehr in Polen gespielt würde, dann sei dies nicht der richtige Weg einer Verständigung. "Nicht schießen, sondern reden", sei die einzige Lösung, so Barenboim. Anwesend in der Staatsoper Unter den Linden waren nicht nur Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank, sondern auch Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung. Nach der Nationalhymne "Schtsche ne wmerla Ukrajina" (Ще не вмерла Україна, auf Deutsch: "Noch ist die Ukraine nicht gestorben") spielte die Staatskapelle Schuberts Sinfonie Nr. 8 h-Moll D759 ("Unvollendete") sowie Beethovens Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 ("Eroica"). 

Viele Solidaritätsaktionen mit der Ukraine

Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem in Deutschland nicht solidarische Stimmen für die Ukraine laut werden. Auch in Dresden fand am Sonntagmorgen ein Solidaritätskonzert für die Menschen in der Ukraine statt. Zu dem Benefizkonzert im Dresdner Schauspielhaus hatte die Initiative für ein weltoffenes Dresden eingeladen. Sowohl die Erlöse des Friedenskonzerts in Berlin als auch die des Konzerts in Dresden werden an die Menschen in der Ukraine gespendet.

Fridays for Future protestiert gegen Ukraine-Krieg in Freiburg. Ein Plakat in den ukrainischen Nationalfarben mit dem Schriftzug Putin Go Home ist zu lesen.

In die deutsche Hauptstadt lud am frühen Nachmittag das Internationale Literaturfestival Berlin ebenfalls zu einer Solidaritätsveranstaltung auf dem Bebelplatz im Herzen Berlins ein, organisiert von der Peter-Weiss-Stiftung für Kunst und Politik e.V. "Putins Angriff auf die Ukraine ist der Angriff auf ein Land, das geschichtlich, sprachlich, kulturell ein Europa im Kleinen ist",  hieß es in der Ankündigung. 

Video ansehen 02:06

Der brutale Angriff auf das Land hat die ganze Welt geeint im Willen, der Ukraine zu helfen: "Ob in Warschau, Paris, Sarajevo oder Berlin: Wir dürfen nicht schweigen", so die Organisatoren der Kundgebung. "Wir dürfen den vor Gewalt und Krieg Fliehenden nicht unsere Hilfe verweigern." 

Weltbekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller beteiligten sich

Die Liste der Redner bei dieser Solidaritätsaktion, die teilweise per Video zugeschaltet waren, glich einem Who-is-Who der internationalen Literaturszene. Gleich drei Literaturnobelpreisträger waren dabei: der Peruaner Mario Vargas Llosa, die Polin Olga Tokarczuk und die Belarussin Swetlana Alexijewitsch. Sie sagte, mit Putin erlebe die Welt "die Geburt eines russischen Faschismus". Wir hätten uns diesen Abgrund nicht vorstellen können, so Alexijewitsch, und wandte sich direkt an die ukrainische Bevölkerung: "Die Ukraine schützt ganz Europa, sie schützt die ganze Welt".   

Anwesend - zumindest virtuell - war auch der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowytsch, der zu den wichtigsten kulturellen und intellektuellen Stimmen seines Landes gehört. Er forderte ausdrücklich eine Flugverbotszone.

Der chinesische Künstler Ai Weiwei zeigt sich ebenso solidarisch wie der Liedermacher Wolf Biermann, der einst aus der DDR ausgebürgert wurde und in Berlin klare Worte fand: "Putin eifert seinem Kollegen Adolf Hitler nach." Beide haben in ihren Heimatländern erleben müssen, was Unterdrückung heißt. Bewegende Worte kamen auch vom Wissenschaftler und Osteuropa-Experten Karl Schlögel.

 

Und sie stehen wie alle an diesem Tag hinter dem Appell der Organisatoren: "Lasst uns unsere Sympathie und Solidarität mit dem Volk der Ukraine demonstrieren. Hören wir ihren Stimmen zu. Lassen Sie uns in Worte fassen, was wir im Augenblick der Not empfinden und über die Grenzen hinweg miteinander in Kontakt treten: analog und digital, mit Wort und Musik, im offenen Raum, im Zentrum Berlins. Im Kampf für Eure und für unsere Freiheit!"

Autorin: Sabine Oelze, Suzanne Cords    

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