"Woche der verbotenen Bücher": Kampf für die Informationsfreiheit

18 Sep

Vierzig Jahre ist es her, seit im September 1982 in den Vereinigten Staaten die erste "Banned Books Week" stattfand. 

 

Die Initiatoren reagierten damit "auf einen plötzlichen Anstieg der Zahl an Anfechtungen von Büchern in Schulen, Buchhandlungen und Bibliotheken", wie die Website bannedbooksweek.org schreibt. Seither findet die "Banned Books Week" jedes Jahr im September statt.

Ausschlaggebend war seinerzeit das Gerichtsverfahren Island Trees School District gegen Pico vor dem Obersten Gerichtshof der USA. Die Richter entschieden mit knapper Mehrheit, die Beamten der Junior High und High School hätten kein Recht gehabt, Bücher wegen ihres Inhalts aus der Schulbibliothek auszusondern. Das Gericht berief sich auf den Ersten Verfassungszusatz. Die Schule hatte 1976 neun Bücher aus ihrer Bücherei entfernt, darunter Kurt Vonneguts "Slaughterhouse-Five" ("Schlachthof 5"). Ihre Begründung: Die Werke seien "antiamerikanisch, antichristlich, antisemitisch und einfach nur schmutzig".

Verfassung: Keine Geschmacksgründe

Der Erste Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (englisch: "First Amendment") ist Bestandteil des als "Bill of Rights" bezeichneten Grundrechtekatalogs der Verfassung der Vereinigten Staaten. Der 1791 verabschiedete Artikel verbietet es dem US-Kongress, Gesetze zu verabschieden, die die Redefreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder das Petitionsrecht einschränken. Außerdem verbietet der Artikel die Einführung einer Staatsreligion und die Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Religionen durch Bundesgesetze.


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Das Oberste Gericht befand nun, dass "die örtlichen Schulbehörden keine Bücher aus den Regalen der Schulbibliotheken entfernen dürfen, nur weil sie die in diesen Büchern enthaltenen Ideen nicht mögen."

Die US-Büchercommunity zieht mit

Es war Judith Krug, eine prominente amerikanische Aktivistin für den Ersten Verfassungszusatz und das Bibliothekswesen, die die "Woche der verbotenen Bücher" zusammen mit dem Ausschuss für geistige Freiheit der American Library Association (ALA) ins Leben rief.

Die Aktionswoche findet häufig in der zweiten Septemberhälfte statt - in diesem Jahr vom 18. bis 24. September - und konzentriert sich auf den Wert des freien und offenen Zugangs zu Informationen, wie er im ersten Zusatzartikel der US-Verfassung garantiert ist. Während dieser Woche beteiligt sich die amerikanische Büchercommunity aus Bibliothekaren, Buchhändlerinnen, Verlegern, Journalistinnen, Lehrern und Leserinnen an entsprechenden Aktivitäten.

Unterdessen nutzt auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die "Banned Books Week", um an Menschen zu erinnern, die wegen ihrer schriftstellerischen, künstlerischen oder sonstigen publizistischen Arbeit inhaftiert, bedroht oder ermordet wurden.

Sogar Klassiker aussortiert

Im Laufe der Jahre waren bemerkenswerte Titel immer wieder Gegenstand von Gerichtsverfahren, nachdem sie entweder von Schulbehörden, Eltern oder Bürgerinitiativen in den USA als ungeeignet für junge Leser eingestuft worden waren. 

Unter anderem wurde Maya Angelous "Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt" wegen seiner Anspielungen auf gleichgeschlechtliche Sexualität, vorehelichen Sex und Gotteslästerung als "abartig" gebrandmarkt. Mark Twains "The Adventures of Huckleberry Finn" ("Die Abenteuer des Huckleberry Finn") geriet wegen der Verwendung von Schimpfwörtern als "rassistisch" in die Kritik. Im Jahr 2001 wurde J.D. Salingers "Der Fänger im Roggen" (1951) von einem Mitglied der Schulbehörde entfernt, weil er es für ein "schmutziges, schmutziges Buch" hielt. Alle drei Bücher sind amerikanische Klassiker.

Auch internationale Bücher gerieten ins Visier: Einige amerikanische Schulbibliotheken haben dazu aufgerufen, die weltweit erfolgreichen "Harry Potter"-Bücher der britischen Autorin J.K. Rowling aus ihren Regalen zu nehmen, da sie von Geistern, Kulten und Hexerei handelten.

Salman Rushdie - Schreiben unter Lebensgefahr

Die "Satanischen Verse" von Sir Salman Rushdie sind vielleicht das bekannteste Beispiel für ein Buch, das in vielen Ländern verboten wurde. Muslime in der ganzen Welt empörten sich über Rushdies blasphemische Darstellung des Propheten Mohammed. Der indisch-britische Autor musste nach der Veröffentlichung seines Buches im Jahr 1988 fast zehn Jahre lang untertauchen. Der damalige iranische Führers Ayatollah Ruhollah Khomeini hatte einen Bann gegen Rushdie verhängt. Auf die Ermordung des Schriftstellers wurde ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Formell ist das Todesurteil bis heute nicht aufgehoben.

Am 12. August 2022 stach ein 24-jähriger Mann mehrfach auf Rushdie ein, als dieser zu einem öffentlichen Vortrag in der Chautauqua Institution im Bundesstaat New York ansetzte. Der mutmaßliche Täter wurde noch am Tatort verhaftet. In den Anklagepunkten Körperverletzung und Versuchter Mord plädierte er auf "nicht schuldig". Berichten zufolge hatte er bis dahin nur zwei Seiten des umstrittenen Romans des Autors gelesen. Der New York Post sagte er vom Gefängnis aus, Rushdie sei "jemand, der den Islam angreift".

Verbot oder Herausforderung?

Strittig bleibt das Wort "Verbot". Kritiker der "Banned Books Week" argumentieren, dass Bücher in den USA nicht per se "verboten" seien – anders als in anderen Teilen der Welt, wo Regierungen den Verkauf oder die Verfügbarkeit von Büchern aus verschiedenen Gründen unterbinden. Die Bücher in US-amerikanischen Lehrplänen, in Schul- und öffentlichen Bibliotheken würden vielmehr von Eltern, Interessengruppen oder Privatpersonen wegen ihres sexuellen, gewalttätigen, anstößigen oder altersunangemessenen Inhalts "angefochten".

Die Befürworter der "Banned Books Week" argumentieren, sie schärfe das Bewusstsein der Menschen für Informationsfreiheit - und verhindere so langfristig, dass die Anfechtung in ein totales Verbot umschlägt. 

 

Autorin Brenda Haas

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