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Jo Strauss - Der blinde Fleck
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TISCHRESERVIERUNG ERBETEN UNTER 0851 - 35 900
Foto: Kevin Rieseneder
Eine Sache scheint offensichtlich an Jo Strauss zu sein. Seine Stimme. Sie drängt sich prägnant in den
Vordergrund und lässt erstmal innehalten. Umso überraschender ist das, was der Künstler offenbart,
wenn man diesen blinden Fleck überwunden hat. Auf der Bühne wie im Studio liefert Strauss keine
halben Sachen. Seine Texte sind geradeaus schön, intelligent und lustig. Ein Wiener wird schnell den
Mühlviertler aus dem Kosmopoliten heraushören und seinen Ausführungen zur Vanitas und dem
carpe diem zustimmend folgen. Die Popklänge reichen vom Sound einer Stadionhymne über das Duo
im Musicalstyle bis hin zum intimen Folksong. Und ein Trinklied. Dass er zwischen seinen Werken zu
einem brillanten Kabarettisten wird, wurde oft genug betont. Seiner blinden Flecken scheint sich Jo
Strauss sehr bewusst zu sein. Er deckt sie auf oder lässt sie demonstrativ bestehen.
Die tragende Spannkraft des Albums entsteht aus dem Gegensätzlichen, das Jo Strauss bewusst für
sich nutzt. Wenn die harte Stimme auf dem weichen Popgewand der Band reibt wird beides sichtoder
besser: hörbarer. Tiefer im Text spielen sich die Antagonismen gegenseitig den Ball zu. Da wird
im Hässlichen das Schöne besungen und umgekehrt; da verweist der blinde Fleck auf das größere
Bild; da singt Jo Strauss ein ganzes Lied lang nur von einem einzigen Moment.
Jo Strauss besingt Momente und Situationen, die sich so bekannt anfühlen, als hätte man sie selbst
erlebt. Und insgeheim wünscht man sich beim Hören, seine eigenen Gedanken so schön formulieren
zu können wie diese raue Stimme im Ohr. Aber wozu, wenn der Strauss es doch so viel besser macht?
Damit kümmert sich Jo Strauss um die blinden Flecken seiner Zuhörer. Wo das Publikum aufhört,
denkt der studierte Philosoph noch einmal bisschen weiter, wenn auch nicht unbedingt
kerzengeradeaus. Der Linzer ist bekannt dafür, auf der Bühne zwischen den Liedern seine Gedanken
streifen zu lassen. Die Gefilde, in die uns seine Logik dabei mitnimmt, können nur mit zustimmendem
Staunen und einem herzhaften Lacher quittiert werden.
Die Musiker der Band neben Jo Strauss sind allesamt Meister ihres Fachs. Sowohl in concert und
besonders auf der Platte ist zu hören, wie genau die Klangfarben auf die Dramaturgie passen. Das
Klavier bestimmt den Grundton des Albums, E-Gitarren werden pointiert eingesetzt und das
Schlagzeug besticht mit kräftigen tiefen Klängen. Immer wieder dürfen die Instrumente zu einem
Crescendo ausbrechen, das den Unterschied zwischen Stadion und Klubbühne zunichte macht. Ein
Duett mit Jazzsängerin Ricarda Maria Oberneder gestaltet sich wie der Höhepunkt eines Musicals.
Jo Strauss weiß sich und seine Musik zu inszenieren. Mit kabarettistischem Ernst macht er Musik
über Leben und Lieben. Und am Ende ist das Publikum vielleicht sogar ein bisserl gescheiter.
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